Die Blumen meiner Mutter

Hilla Kurki untersucht familiäre Beziehungen auf botanischen Umwegen.

·
Fotografie:
Hilla Kurki
DATUM Ausgabe Oktober 2025

Zarte Blüten vor farbigen Hintergründen, leicht ­verschwommen, ein Spiel mit natürlichem Licht, Erinnerung und Verletzlichkeit – die fotografische Arbeit Almost All the Flowers in My Mother’s Garden der finnischen Künstlerin Hilla Kurki (geb. 1985 in Anjalankoski, Finnland) ist eine stille und gleichzeitig eindringliche Auseinandersetzung mit ­Intimität, Fürsorge und generationsübergreifender Nähe.

Auf den ersten Blick wirken die Bilder poetisch, beinahe­ ­romantisch: Blumen in verschiedenen Stadien, mal als Knospe, mal bereits verblüht, sind sie allesamt eingebettet in ihre natürliche Umgebung. Doch unter der zarten Ober­fläche verbirgt sich eine vielschichtige Reflexion über Weiblichkeit, patriarchale Strukturen und die fragile ­Beziehung zwischen Mutter und Tochter. Der Ursprung des Projekts liegt in der persön­lichen Erfahrung der ­eigenen Distanz zwischen der Künstlerin und ihrer ­Mutter sowie der Eifersucht auf die Fürsorge und Aufmerksamkeit, die ihre Mutter ihrem Garten widmete. Kurki begann, alle Blumen im Garten ihrer Mutter im Südosten Finnlands zu porträtieren – über hundert Aufnahmen entstanden, ­ausschließlich im Freien, bei natürlichem Licht.

Die Fot­o­grafien verbindet die Künstlerin mit einer vielstimmigen Textlandschaft. In einem kollab­orativen Schreibprozess bat sie zahlreiche befreundete Künstlerinnen und Künstler, ihre persönlichen Erinnerungen an ihre Mütter mit ihr zu teilen. Diese anonymisierten, teils zärtlichen, teils schmerzhaften und kritischen Fragmente ­bilden zusammen mit ihren Bildern ein dichtes Geflecht aus kollektiver Erinnerung und individueller Reflexion. 

Die Arbeit, die 2022 als Buch erschien, ist kein nostalgischer Rückblick, sondern eine ­Gegenwartsanalyse – ­subtil, kraftvoll. Die Blumen sind darin keine dekorativen Motive – sie sind Zeuginnen einer offen ausgesprochenen und verhandelten Beziehungsarbeit.

Hilla Kurkis Arbeit ist ­zusammen mit dem Projekt ­Indociles des Schweizer Künstlers Yann Mingard ab dem ­3. Oktober in der Freiluftausstellung Unruly Flowers des Foto Arsenal Wien auf dem ­Gelände des Arsenals (Arsenalstraße) kostenlos zu sehen.

Die Ausstellung wird im ­Rahmen der Foto Wien 2025 eröffnet – Österreichs größtem, biennal veranstaltetem Festival für Fotografie. Organisator ist zum zweiten Mal das Foto ­Arsenal Wien. •

Marit Lena Herrmann ist Junior-Kuratorin am Foto Arsenal Wien, dem neuen Ausstellungshaus für Fotografie und ›Lens Based Media‹ in Österreich.  www.fotoarsenalwien.at  

Sie können die gesamte Ausgabe, in der dieser Artikel erschien, als ePaper kaufen:

Diese Ausgabe als ePaper für € 6,00 kaufen