Die Blumen meiner Mutter
Hilla Kurki untersucht familiäre Beziehungen auf botanischen Umwegen.
Zarte Blüten vor farbigen Hintergründen, leicht verschwommen, ein Spiel mit natürlichem Licht, Erinnerung und Verletzlichkeit – die fotografische Arbeit Almost All the Flowers in My Mother’s Garden der finnischen Künstlerin Hilla Kurki (geb. 1985 in Anjalankoski, Finnland) ist eine stille und gleichzeitig eindringliche Auseinandersetzung mit Intimität, Fürsorge und generationsübergreifender Nähe.
Auf den ersten Blick wirken die Bilder poetisch, beinahe romantisch: Blumen in verschiedenen Stadien, mal als Knospe, mal bereits verblüht, sind sie allesamt eingebettet in ihre natürliche Umgebung. Doch unter der zarten Oberfläche verbirgt sich eine vielschichtige Reflexion über Weiblichkeit, patriarchale Strukturen und die fragile Beziehung zwischen Mutter und Tochter. Der Ursprung des Projekts liegt in der persönlichen Erfahrung der eigenen Distanz zwischen der Künstlerin und ihrer Mutter sowie der Eifersucht auf die Fürsorge und Aufmerksamkeit, die ihre Mutter ihrem Garten widmete. Kurki begann, alle Blumen im Garten ihrer Mutter im Südosten Finnlands zu porträtieren – über hundert Aufnahmen entstanden, ausschließlich im Freien, bei natürlichem Licht.
Die Fotografien verbindet die Künstlerin mit einer vielstimmigen Textlandschaft. In einem kollaborativen Schreibprozess bat sie zahlreiche befreundete Künstlerinnen und Künstler, ihre persönlichen Erinnerungen an ihre Mütter mit ihr zu teilen. Diese anonymisierten, teils zärtlichen, teils schmerzhaften und kritischen Fragmente bilden zusammen mit ihren Bildern ein dichtes Geflecht aus kollektiver Erinnerung und individueller Reflexion.
Die Arbeit, die 2022 als Buch erschien, ist kein nostalgischer Rückblick, sondern eine Gegenwartsanalyse – subtil, kraftvoll. Die Blumen sind darin keine dekorativen Motive – sie sind Zeuginnen einer offen ausgesprochenen und verhandelten Beziehungsarbeit.
Hilla Kurkis Arbeit ist zusammen mit dem Projekt Indociles des Schweizer Künstlers Yann Mingard ab dem 3. Oktober in der Freiluftausstellung Unruly Flowers des Foto Arsenal Wien auf dem Gelände des Arsenals (Arsenalstraße) kostenlos zu sehen.
Die Ausstellung wird im Rahmen der Foto Wien 2025 eröffnet – Österreichs größtem, biennal veranstaltetem Festival für Fotografie. Organisator ist zum zweiten Mal das Foto Arsenal Wien. •
Marit Lena Herrmann ist Junior-Kuratorin am Foto Arsenal Wien, dem neuen Ausstellungshaus für Fotografie und ›Lens Based Media‹ in Österreich. www.fotoarsenalwien.at