Ein ziemlicher Hatscher
Man könnte so sagen: Der Wiener Auslandsreporter Martin Zinggl ist ein Stück zu Fuß gegangen und hat dann ein Buch darüber geschrieben. Weil die Strecke allerdings ganze 2.400 Kilometer lang ist und durch acht Länder von Österreich bis in die Türkei führt, ist der Inhalt von ›Kein Spaziergang‹ dann doch sehr viel spannender, als die obige saloppe Zusammenfassung vermuten lassen würde.
Der Autor, der als Folge jahrzehntelangen hektischen Reporterdaseins eine nervöse Gesichtslähmung ausgefasst hatte, entschied sich buchstäblich für die Flucht nach vorne – allerdings quasi in Zeitlupe: Von Mai bis August 2023 war Zinggl auf dem sogenannten ›Sultans Trail‹ unterwegs, jenem Pfad zwischen Wien und Istanbul, den Sultan Süleyman I., Herrscher des Osmanischen Reichs im 16. Jahrhundert, in umgekehrter Richtung mit seinem Heer zurückgelegt hatte, um Wien erfolglos zu belagern.
In seinem Reisebericht verzichtet der Autor auf dramaturgische Kunstgriffe. Das Buch ist über weite Strecken ein ziemlich straight heruntergeschriebenes Tagebuch, das trotz allen Humors vor allem anschaulich vermittelt, wie verdammt mühselig es auch (oder gerade?) im 21. Jahrhundert noch ist, monatelang zu Fuß unterwegs zu sein. Immer wieder sind es Straßenhunde, die Zinggl den Ausflug vergällen. Aber auch Sattelschlepper (ein gutes Stück muss der Wanderer auf einer türkischen Autobahn zurücklegen), Grenzpolizisten sowie totale körperliche Erschöpfung setzen ihm gehörig zu. Wer eine ähnliche ausschreitende Selbsterfahrung plant, sollte das Buch als Vorbereitung lesen – wer nie auch nur auf solche Ideen käme, wird sich am Pool chillend erst recht darüber amüsieren können.
Martin Zinggl: Das ist kein Spaziergang
Knesebeck 2025