Macht gegen Vielfalt
Die slowakische Regierung demontiert systematisch Kunst- und Kulturfreiheit. Direktoren werden gefeuert, LGBTIQ+-Projekte gestrichen – doch jetzt formiert sich Widerstand.
Die Sonne blitzt an diesem Mai-Nachmittag immer wieder durch die Wolken über Bratislava. Bei milden 17 Grad versammeln sich Hunderte Menschen auf dem Platz des Slowakischen Nationalaufstands, viele von ihnen in Jankern und Trachten. Auf der Bühne gibt es kurze Reden, gefolgt von Musik verschiedener Kapellen und Musikgruppen aus dem ganzen Land. Was wie ein Volksfest wirkt, ist in Wahrheit ein Aufschrei gegen die radikale Kulturpolitik der Regierung. ›Folklore für die Unterstützung der Kunst‹ lautet das Motto der Kundgebung, gerichtet an das Kulturministerium direkt auf der anderen Seite des Platzes.
Seit über einem Jahr kämpft die slowakische Kulturszene gegen die systematische Demontage ihrer Institutionen und die Verengung ihres Kulturbegriffs. Binnen weniger als zwei Jahren hat die Koalition aus der populistischen Smer-SSD, der sozialdemokratischen HLAS und der rechtsextremen Slowakischen Nationalpartei eine radikale Transformation vollzogen, die frappant an Ungarn unter Viktor Orbán sowie Polen unter der ehemaligen PiS-Regierung erinnert.
Die Kulturministerin Martina Šimkovičová von der rechtsextremen SNS-Partei führte eine aggressive Kampagne zur Neuausrichtung der Kulturpolitik entlang nationalistischer und konservativer Linien. Die Hälfte der Mitarbeiter ihres Ministeriums musste gehen. Öffentliche Wettbewerbe und transparente Ernennungsverfahren wurden abgeschafft. Direktoren von Museen und Galerien können jetzt ohne Grund gefeuert werden, was den Ersatz durch Loyalisten ermöglicht. Gleichzeitig geht die Regierung auch gezielt gegen LGBTIQ+-Kunstprojekte vor, etwa durch Streichungen von staatlichen Geldern. Die Ministerin sprach dabei von der ›Rückkehr zur Normalität‹, was schlimme historische Erinnerungen an die ›Normalisierung‹ zur Zeit des Sozialismus weckt.

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