Richterlicher Widerstand
Wie Teile der amerikanischen Judikative Trumps Staatsumbau entgegentreten.
Jedes Regime hat seine Anführer und seine Anhängerinnen. Und es hat auch seine Rebellen. In den USA sehen sie derzeit aus wie John Coughenour. 84 Jahre alt, weiß, aus Kansas und seit 44 Jahren Richter. ›Es wird immer offensichtlicher, dass für unseren Präsidenten die Rechtsstaatlichkeit nur ein Hindernis seiner politischen Ziele ist. Für ihn ist die Rechtsstaatlichkeit etwas, das man umgehen oder einfach ignorieren kann, sei es aus politischen oder persönlichen Gründen‹, sagte Coughenour vom Richterstuhl aus, Anfang Februar vor einem vollen Gerichtssaal in Seattle. ›In diesem Gerichtssaal und unter meiner Aufsicht ist die Rechtsstaatlichkeit ein helles Leuchtfeuer, dem ich zu folgen gedenke.‹
Coughenour blockierte US-Präsident Donald Trumps Plan, in den USA geborenen Kindern von ausländischen Eltern die Staatsbürgerschaft zu verweigern. Verfassungsbruch sei das. Der 14. Verfassungszusatz garantiert nämlich jedem in den USA geborenen Menschen die Staatsbürgerschaft. Trump wies die Behörden an, die Staatsbürgerschaft von Kindern, die nach dem 19. Februar geboren wurden, nicht anzuerkennen.
Coughenour, der 1981 vom republikanischen Präsidenten Ronald Reagan zum Richter bestellt wurde, machte sehr schnell klar, was er davon hält. Er ist nicht allein. Kollegen haben bereits Anordnungen gestoppt, die etwa Transfrauen in Männergefängnisse untergebracht hätten. Andere wandten sich gegen das Dekret, das Elon Musks Spezialbüro Zugriff auf sensible Unterlagen von Millionen Amerikanern aus dem Finanzministerium geben sollte. Sie zählen zum neuen Widerstand in den USA: Richter und Richterinnen, die bereit sind mit den Mitteln des Rechts dem US-Präsidenten Einhalt zu gebieten, indem sie einfach ihren Job machen.
Seit Trumps Amtsantritt ist auch dem letzten Zweifler klar, was der Präsident und seine Clique anstreben. Anfangs sprach man bei der Flut von Trumps verfassungsbrechenden präsidialen Befehlen noch vorsichtig von ›Verfassungskrise‹, nach ein paar Wochen schon von Verfassungskollaps. Mittlerweile benutzt man in den Medien voller Scham jenes Wort, das einem schneller über die Lippen kommt, wenn in anderen Ländern mit ähnlicher Wucht Antidemokraten den Staat umbauen: Staatsstreich.
Damit das nicht gelingt, haben sich tausende Rechtswissenschafterinnen im ganzen Land in Stellung gebracht, um mit ihrer Expertise ›Sand ins Getriebe‹ zu streuen, wie sie es formulieren. Zusammenschlüsse wie ›Democracy 2025‹, eine Koalition aus über 350 Organisationen, bereiten Klagen vor und zeigen anderen auf, wie sie sich gegen die Verfassungsfeinde vor Gericht verteidigen können.
Bislang konnten sie einige Erfolge einfahren. Einige Richter geben ihnen Recht. Und Hoffnung. Sie sind das erste wirksame Stoppzeichen für eine außer Kontrolle geratene Exekutive. Fürs Erste. Trump ließ auf X wissen, dass er es mit seiner Rechtstreue ganz mit Napoleon halte, den er mit dem Satz zitiert: ›Wer sein Land rettet, verstößt gegen kein Gesetz.‹ Ansonsten hat er am Ende ja noch ganz verfassungskonform den Obersten Gerichtshof, wo all die Fälle früher oder später landen könnten. Und wo sechs von neun Richtern von republikanischen Präsidenten bestellt wurden – drei allein von Trump. Ein Heimspiel also für den Präsidenten.
Doch es gibt auch jene Juristinnen, die mehr Berufsethos als Parteiloyalität haben. Selbst Staatsanwältinnen und Justizmitarbeiter, die von Trumps Administration protegiert wurden, haben wegen Einflussnahme des Justizministeriums auf die Staatsanwaltschaft (sie sollte die Korruptionsklagen gegen den New Yorker Bürgermeister fallen lassen) ihren Dienst quittiert. Auch sie scheinen kein Interesse daran zu haben, dass in den USA das ›Leuchtfeuer‹ der Rechtsstaatlichkeit erlischt. Egal, wem sie ihren Job zu verdanken haben. •