Wasser, das über Grenzen fließt
Trotz 7. Oktober und Gaza-Krieg hält eine israelisch-palästinensisch-jordanische Umweltorganisation ihre Arbeit aufrecht. Ihre Projekte und Visionen verbinden drei Länder – selbst in Zeiten tiefster Spaltung.
Der Jordan ist zurück – zumindest ein kleines Stück von ihm. Südlich des Sees Genezareth, in einem Abschnitt, der jahrzehntelang als zu schmutzig, zu gefährlich, zu vergessen galt, steigen an diesem heißen Schabbat Familien ins Wasser. Kinder planschen zwischen den Steinen, aus Lautsprechern tönt Musik, am Rand des steinigen Flussbetts stehen Klappstühle und Sonnenschirme. Wer sich ins Wasser wagt, balanciert über rutschige Felsen oder klammert sich an ihnen fest, um nicht von der Strömung mitgerissen zu werden. Der Ort ist weder schön noch bequem – aber neu. Und das reicht oft schon, um die Menschen anzuziehen.
Dass hier überhaupt wieder Menschen baden können, ist ein kleiner Durchbruch. Denn der Jordan, einer der bedeutendsten Flüsse der Weltgeschichte, ist heute ein Schatten seiner selbst. Über 90 Prozent seines natürlichen Wasserflusses werden von Israel, Jordanien und Syrien für Landwirtschaft und Trinkwasserzwecke entnommen. Statt frischem Quellwasser führten über Jahrzehnte nur noch Klärschlämme, salzhaltiges Drainagewasser und ungeklärte Abwässer durch sein Bett. Mancherorts schrumpfte der Strom auf wenige Meter Breite – an vielen Stellen war der ›heilige Fluss‹ nur noch eine Kloake.
Gidon Bromberg, Mitbegründer der Umweltorganisation EcoPeace, erinnert sich noch gut daran. ›Wenn jemand in einem Fünf-Sterne-Hotel in Tiberias die Toilette gespült hat, landete das Wasser direkt hier – ungeklärt‹, sagt er und zeigt auf den heute klaren Fluss. Auch er steigt an diesem Tag kurz ins Wasser. Für ihn ist die Reinigung dieses Abschnitts nicht nur ein ökologisches Ziel, sondern ein politisches Projekt. Denn die Misere des Jordan steht sinnbildlich für den Zustand der Region: Ohne Zusammenarbeit verwahrlost selbst das Heiligste. Der Jordan verbindet Israel, das Westjordanland und Jordanien, wurde aber jahrzehntelang nicht als gemeinsames Gut behandelt, sondern als etwas, an dem man sich sorglos bedienen kann. Jeder nahm sich, was er brauchte, pumpte ab, leitete ein – ohne Rücksicht auf das Ganze.

Wörter: 2465

Lesezeit: ~ 13 Minuten
Diesen Artikel können Sie um € 3,50 komplett lesen
Wenn Sie bereits Printabonnentin oder Printabonnent unseres Magazins sind, können wir Ihnen gerne ein PDF dieses Artikels senden. Einfach ein kurzes Mail an office@datum.at schicken.