Auf den Barrikaden
Serbien erlebt die größten Proteste seit dem Ende der Ära Milošević. Was wollen die Demonstranten? Und wie realistisch sind ihre Ziele?
Mit Zehntausenden anderen hat sich die Studentin Natalija Petrović am 15. Februar 2025 in Kragujevac eingefunden. Hier begann 1804 der Aufstand gegen das Osmanische Reich, hier wurde 1835 die erste Verfassung Serbiens verabschiedet, hier wird bis heute der Nationalfeiertag gefeiert. Doch in diesem Jahr ist alles anders. Denn Natalija und die anderen sind nicht nach Kragujevac gekommen, um zu feiern, sondern um zu protestieren.
Schon am Vorabend wurden die jungen Demonstrierenden in der 150.000-Einwohner-Stadt empfangen. Tagelang sind viele von ihnen zu Fuß aus ihren Heimatstädten nach Kragujevac gegangen. Seit Monaten gehen Natalija und tausende andere Studierende fast täglich auf die Straße. Sie blockieren Straßen, Brücken und Autobahnen. Auch ihre Universitäten haben sie besetzt. Die Studentinnen und Studenten führen die größte Protestbewegung an, die Serbien seit den 1990er-Jahren gesehen hat – sie wollen Korruption und Autokratie in ihrem Land ein für alle Mal beenden.
Ausgelöst wurde die Protestwelle von einem tragischen Unfall: Am 1. November stürzte am Hauptbahnhof von Novi Sad ein Betonvordach ein. 15 Menschen starben unter den Trümmern. ›Das war kein Unfall, das war Mord‹, sagt Natalija Petrović . Denn der Bahnhof war erst im Juli nach seiner Renovierung neueröffnet worden. Finanziert wurde diese durch ein bilaterales Abkommen mit China. Die Sanierung des Bahnhofs ist Teil seiner ›Neuen Seidenstraße‹ auf dem Balkan. An die 200 serbische Subunternehmen beauftragte das chinesische Konsortium CRIC-CCCC dafür. Welche, war zunächst nicht bekannt – denn die Verträge standen unter Geheimhaltung. ›So konnten Aufträge ohne öffentliche Ausschreibungen einfach an regierungsnahe Firmen vergeben werden. Die Geschäfte in diesem Land werden von einem einzigen kriminellen Klan geführt‹, sagt Zoran Đajić. Zweieinhalb Jahre war der Bauingenieur in den Renovierungsarbeiten beschäftigt. Immer weiter wurde das Budget für die Renovierung aufgestockt – statt der ursprünglichen 3,5 Millionen Euro waren es am Ende 16 Millionen. ›Das Geld ist in privaten Taschen gelandet, statt in der fachgerechten Sanierung des Bahnhofs‹, sagt Đajić.

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