Die im Dunkeln
Long Covid hat bereits zehntausende Menschen in Österreich arbeitsunfähig gemacht. Nach jeder Corona-Welle kommen weitere dazu. Warum lässt die Erkrankung die Gesellschaft so kalt?
Die Situation ist bedrückend. Es sind bloß ein paar Schritte zu Eva Wallinger. Die 27-Jährige hätte viel zu erzählen. Doch sie ist nicht in der Lage, fremden Menschen zu schildern, wie es ihr geht. Nach dem Sommer vor zwei Jahren verengte sich ihre Welt auf die wenigen Quadratmeter ihres früheren Kinderzimmers. Hier spielt sich nun ihr Leben ab, die Vorhänge zugezogen, die Ohren zugestöpselt. Auf der Türe, welche die junge Salzburgerin vom Draußen abschirmt, kleben drei bunte Großbuchstaben aus Holz. Ein E, ein V und ein A. Ihre Mutter, ihre Ärztin und die Journalistin schleichen auf Zehenspitzen daran vorbei. Im Erdgeschoss räumt Evas Vater in der Küche herum, bemüht, keinen Lärm zu machen.
Eva Wallinger leidet an der schwersten Form von Long Covid. Sie hat ihrer Mutter, Hildegard Neumayer-Wallinger, erlaubt, an ihrer statt zu sprechen, um Einblick in eine der unbegreiflichsten, am öftesten falsch diagnostizierten und am schwierigsten zu behandelnden Krankheiten zu gewähren. ME/CFS, so lautet ihre Diagnose. Das Kürzel steht für Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom, ein postinfektiöser Zustand, der sowohl in Teilen der Fachwelt als auch in der Öffentlichkeit bis heute nicht ganz ernst genommen wird. Zum körperlichen Verfall gesellen sich gesundheitspolitische und soziale Nebenwirkungen, die Betroffene als ›brutal‹ beschreiben.
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