Die Landneurotiker(in)
Unsere Autorin wollte eines niemals: in der Provinz leben. Und hat es für ein paar Wochen doch versucht.
Davor
Lassen Sie mich mit meinem Geständnis beginnen. Hier schreibt eine Fanatikerin. Eine, die ausschließlich in Städten gelebt hat. Eine, die ausschließlich in Städten leben will. Die ihre Urbanität fast schon als Religion begreift. Und zwar als eine unbarmherzige, eine herablassende, eine, die mitunter spaltet. Weil sie einen Strich zieht zwischen den Gläubigen, den wahren Gläubigen dieser Religion – und dem Rest.
Hier die Stadt, die große Stadt, dort das Land, das gesamte Land. Eine klare Grenze.
39 Jahre lang habe ich diese Grenze in Österreich respektiert. Bis auf einige berufliche Stippvisiten, eine Schullandwoche, zwei Skikurse, eine Sportwoche und zwei Mal Urlaub als Kind mit den Eltern an einem See, habe ich sie als Erwachsene niemals zum Spaß für längere Zeit überschritten. Zu heilig ist mir mein Glaube. Zu verdächtig der Stolz, der immer mitschwingt, wenn von den schönen Bergen, den schönen Seen und den schönen Wäldern die Rede ist. Denn das heißt doch: Es muss etwas faul sein mit den Menschen, wenn nur die Berge, Seen und Wälder schön sind. Wer sich der Landschaft rühmt, rühmt das Gegebene. Ohne den Faktor Mensch. Ein Berg steht nicht kraft des menschlichen Geistes, seiner Kreativität, seiner Leistung, seiner Empathie. Er steht trotz alldem – mit viel Glück. Beim Stolz auf die Stadt ist das anders. Wer sich seiner Städte rühmt, rühmt sich der Vision, des Horizonts, der Existenz all jener, die dazu beigetragen haben.
Wörter: 4533
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