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Ein Leben im Tag von … Sinaya

Die Tänzerin über Battles, Wonder Woman und Breaken als olympische Disziplin.

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Fotografie:
Little Shao/Red Bull Content Pool
DATUM Ausgabe April 2024

An einem Wochentag wache ich um 6:15 auf. Ich muss mir am Vortag immer drei Wecker stellen und brauche sie tatsächlich alle. ­Sobald ich aufstehe, ist alles knapp ­getimt. Trotzdem nehme ich mir täglich zehn Minuten für ein Bad, auch um in der Wanne meinen Tag durchzugehen. Ich schreibe mir meine ­Aufgaben auch auf eine Checkliste.

Breaking mache ich seit zwölf ­Jahren. Viele sagen dazu noch immer ›Breakdance‹, aber die Szene verwendet diesen medial kreierten Begriff nicht. Ich lebe aber nicht vom Breaken. Mein Freund – ebenfalls Tänzer – be­reitet mir täglich eine Jausenbox vor, mit der ich ab sieben Uhr im Büro sitze. Ich verdiene mein Geld als ­kaufmännische Angestellte bei einem Baukonzern.

Das Tanzen könnte ich ohnehin nicht zum Beruf machen. Ich brauche diesen Unterschied zwischen Freizeit und Job. Mein Freund denkt da als Tanzlehrer anders. Es gibt aber auch für mich auf der Arbeit Momente, wo ich tanzen kann. Wenn ich zum Beispiel bei einer Liftfahrt allein bin, passiert es schon, dass ich einmal einen ›Dance Move‹ mache.

Bei der Arbeit kennen mich alle als Sina Müller. Erst mit dem Schichtende ab 16 Uhr beginnt der Tag
von ›Sinaya‹. Ich schlüpfe in meine Rolle als ›B-Girl‹ – so werden wir genannt – mit Kappe als Marken­zeichen. Dabei fühle ich mich ein bisschen wie Wonder Woman, wenn sie ihr Outfit anlegt.

Ich trainiere zwei-, dreimal die Woche im Fitnessstudio und tanze viermal die Woche mit meiner
40-köpfigen Crew ›Funky Monkez‹. Wenn ich richtig fit bin, schaffe ich beides an einem Tag.

Ich mache meist dieselbe Bewegung immer und immer wieder. Erst vor einem nahenden Wettbewerb reihe ich die zu den ›Combos‹ aneinander, die ich auf der Bühne performe. Jedes ›B-Girl‹ hat ihren ganz eigenen Style. Man soll erkennen: Das ist Sinaya. 

Was viele nicht wissen, Breaking ist heuer das erste und vorerst einzige Mal olympisch. 2028 fehlt es wieder im Programm. Deshalb hatte ich eine ­Teilnahme als großes Ziel vor Augen, qualifiziert habe ich mich aber nicht. Kein Weltuntergang, ich habe beides schon erlebt: die Olympiastadt Paris letztes Jahr bei der Weltmeisterschaft, und 2018 durfte ich bei den Jugendspielen in Buenos Aires olympische Luft schnuppern. Mein Freund war dort als Trainer, ich seine Begleiterin.

Früher, als ich mit ihm zu Battles gefahren bin, war ich immer nur die Freundin. Erst als ich selbst auf die Bühne gegangen bin, habe ich mich richtig gesehen gefühlt. Mittlerweile habe ich an über hundert Wettkämpfen im In- und Ausland teilgenommen. Alle Reisen muss ich übrigens selbst planen. Organisation nimmt sicher eine Stunde meines Nachmittags ein.

Nach dem Training kühle ich mich gerne in kaltem Wasser ab. In der ­warmen Jahreszeit steige ich dazu in den Millstätter See. Der liegt direkt bei meinem Wohnort in Kärnten. Ich bin am benachbarten Weißensee aufgewachsen und kann mir kein Leben ohne See vor der Haustüre mehr vorstellen.

Wenn das geschafft und der ­Haushalt gemacht ist, geht mein Tag um 21 Uhr in die Entspannungsphase über. Ich schaue, was ich von meiner Checkliste geschafft habe, damit ich die Gedanken daran nicht ins Bett ­mitnehme. Manchmal belohne ich mich mit einer Schokolade, dann gehe ich ›Fernschlafen‹. Das heißt, ich schalte eine Dokumentation ein und komme ganz runter, um ruhig ­einschlafen zu können. •

Sina Müller (Künstlername Sinaya), 35 ist Tänzerin in der Crew ›Funky Monkez‹ sowie im Nationalen Kader des Urban Dance Verbands Österreich. 2023 wurde sie österreichische Staatsmeisterin im Breaking (von Laien oft Breakdance genannt) und nahm an der Weltmeisterschaft in Paris teil.

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