Name: Rainer Reutner, 45
Beruf: Angestellter im Plattenladen ›Rave Up Records‹
Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?
Nachdem ich die fünfte Klasse dreimal wiederholen musste, habe ich die Schule abgebrochen und eine Zeit lang als DJ gearbeitet. Um direkt an der Quelle zu sein,
begann ich dann in einem Plattenladen.
Wie hat sich das Geschäft mit der Schallplatte verändert?
Komplett. Bands haben früher alle zwei, drei Wochen eine Single veröffentlicht. Die hast du dir gekauft wie eine Tageszeitung. Oder wie ein Magazin. Früher kam halb
Wien zu uns, um Schule zu schwänzen. Jetzt sind es mehr die Sammler.
Hat die CD ausgedient?
In Japan gibt es derzeit wieder einen CD-Hype. Die CD ist praktisch, hat einen super Klang. Ich hör sehr viel CD zuhause, wenn ich koche oder putze.
Nach knapp 30 Jahren im Geschäft: Was ist das für ein Gefühl, eine Platte in die Hand zu nehmen?
Eine neue Platte aus dem Karton auszupacken, liebe ich. Das ist das Schönste. Ein innerliches Weihnachten.
Streamingdienste überholten 2018 physische Tonträger. Ist der Vinyl-Hype vorbei?
Nein, sondern der Streaming-Hype ist groß. Die Verfügbarkeit, diese Beliebigkeit ist schon beeindruckend. Die Kunden sind dadurch im Vorhinein viel besser informiert. Wir sind vor 20, 30 Jahren nach England geflogen, haben uns in Plattenläden gesetzt und versucht, dort Informationen aufzusaugen. Heute musst du nur den Computer einschalten und suchen.
Streamen Sie selbst Musik?
Dazu habe ich eigentlich keine Zeit. Ich downloade auch keine Musik. Ich bin dafür, dass der Musik eine gewisse Wertigkeit zugesprochen wird. Und ich habe noch keinen Künstler getroffen, der durch Streaming reich geworden ist.
Wie viele Platten besitzen Sie ungefähr?
Kann ich nicht sagen. Tausende. Ich habe auch keine Zeit, sie zu zählen (lacht). Welche ist aus Ihrer Sicht die beste Platte aller Zeiten? Ich habe viele Lieblingsplatten, wenn ich eine nennen müsste, wäre es Ras Michael and The Sons Of Negus, ›Dadawah‹. Das neue Album von Kate Tempest gehört momentan zu meinen Lieblingen.
Was macht einen guten Plattenladen aus – neben dem Sortiment?
Das ›Rave Up‹ ist ein sozialer Ort. Ich freue mich, wenn viele Kunden den Laden mit guter Musik verlassen. Es geht bei uns ums Menschliche. Wir arbeiten nicht mit Algorithmen, sondern beraten persönlich.
Wie viel verdienen Sie?
So viel, dass ich meine Familie ernähren kann. Meine Frau muss trotzdem arbeiten. Zahl sage ich jetzt keine. Es geht sich alles gut aus. •