Eine traurige Gestalt
Warum man mit Andreas Babler als Vizekanzler Mitleid haben muss.
Das Mitleid der Medien und/oder der Bevölkerung ist sicherlich das Schädlichste, was ein Spitzenpolitiker ernten kann. SPÖ-Chef und Vizekanzler Andreas Babler wird am Ende seiner Karriere ein Lied davon singen können.
Zwar hat er die SPÖ in eine Regierungsbeteiligung geführt, was noch jedem Parteichef in Österreich intern als Schutzschild gedient hat – bis zur nächsten Wahl. Auch als interner Taktiker wurde er von allen unterschätzt. Doch im Amt des Vizekanzlers wirkt Babler auch noch nach acht Monaten in der Regierung wie eine traurige Gestalt. Die Dauerkritik an seiner Performance führt dazu, dass inzwischen in Kommentarspalten und Newslettern über grundsätzliche Fragen diskutiert werden muss. Zum Beispiel: An welchem Punkt schlägt berechtigte Kritik an einem einzelnen Politiker in eine deutlich erkennbare Kampagne um?
Das alles ist noch kein Grund für Mitleid. Diesen liefert Babler seit Eintritt in die Regierung selbst. Es wirkt so, als würde er nicht nur mit der eigenen Partei, sondern auch mit dem Amt und der Regierung fremdeln. Seine Vorschläge erscheinen so hilflos, als hätte er niemanden in seinem Umfeld, der imstande ist, die Dinge zu Ende zu denken. Im Oktober schlug Babler etwa eine Arbeitsverpflichtung für Medizinstudenten in Österreich vor – im Gegenzug sollen sie bei den Aufnahmetests vorgereiht werden. Eine Zwangsverpflichtung für Jungärzte? Mit welchem Engagement würden sie da ihren Beruf beginnen? Können sie sich am Ende von der Pflicht ›freikaufen‹? Und wie sollte das bemessen werden?
Gegen Bablers Vorstoß, die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel zu halbieren, stellte sich selbst sein Parteikollege und Finanzminister Markus Marterbauer. Bablers jüngste Personalentscheidung im Kulturbereich – Rudolf Scholten als Sonderbeauftragter – ist an Retroqualität kaum zu überbieten. Scholten haftet das Image der 90er-Jahre an.
Apropos ›zu Ende denken‹: Wer auch immer auf die Idee gekommen ist, den neuen SPÖ-eigenen TV-Kanal SPÖ 1 zu nennen und ihn so imagemäßig in die Nähe des bei der FPÖ so beliebten Verschwörungssenders AUF1 zu rücken, sollte sofort versetzt werden.
Mitleid mit Babler muss man vor allem haben, weil er nicht den Anschein von Führungsstärke weckt. Die SPÖ-Landesorganisationen sind entweder nicht in seinem Team, wie im Burgenland – und seit ein paar Tagen auch in der Steiermark –, oder sie sind unerprobt wie in Kärnten und Oberösterreich. Oder instabil wie in Tirol, nachdem Babler-Kritiker Georg Dornauer ausgeschlossen wurde, oder in Salzburg, wo bis nächstes Jahr ein provisorisches Triumvirat agiert.
Jüngst schlüpfte das Satiremedium Die Tagespresse in die Rolle Bablers und fragte bei der Künstlichen Intelligenz nach: ›Wie soll ich die SPÖ retten?‹ Eine plausible Antwort bekam er nicht. Und da soll man kein Mitleid haben? •