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Elias

Von der Seestadt bis nach Hanau. Rassistisch motivierte Gewalt ist ein tödliches Problem.

DATUM Ausgabe Oktober 2020

Ich habe enorme Angst um mein Kind. Mir war bewusst, dass Rassismus real ist und Übergriffe passieren können, aber seit dem Vorfall in der Seestadt mache ich mir täglich Sorgen, wenn mein Sohn außer Haus geht. ‹ Diese Worte hat Elias Iroegbus Mutter mit mir geteilt, als ich mit ihr über den Vorfall im Juli sprach. 

Vor einigen Wochen war der 16-­­Jährige mit seinen Freunden in der Seestadt, als es zu einem Vorfall kam, bei dem er von einigen Männern* Mitte Dreißig so zugerichtet wurde, dass er mit mehreren Prellungen und einer gebrochenen Nase von der Rettung in ein Spital gefahren werden musste. 

Elias war am frühen Nachmittag mit seinen Freunden unterwegs, um baden zu gehen, da spazierten ihnen einige Männer* nach. Als einer von ihnen anfing, die Jugendlichen zu filmen, suchten die meisten das Weite. Einer der Männer* kam Elias entgegen und trat ihm gegen das Bein, sodass er zu Bo­den fiel. Dann schlug er mit seinen Fäusten auf den am Boden liegenden Elias ein. Beim schlussendlich erfolgreichen Versuch der Jugendlichen, die Täter* zu verscheuchen, wurden ­einige Freunde von Elias ebenfalls ­verletzt.

Als Elias, am Wasser sitzend, versuchte, sich das Blut wegzuwischen, während er auf die Rettung wartete, fand er es schockierend, dass keine der in der Umgebung stehenden Personen versucht hatte, ihm und seinen Freunden zu helfen.

Er dachte, dass der Vorfall damit vorbei wäre, doch dann wurden Elias und seine Freunde mit dem Rassismus der Polizei konfrontiert. Denn es hörten sowohl die Freunde von Elias als auch weitere nebenstehende Personen, dass Dinge wie ›Der N* ist jetzt im Kran­kenwagen ‹ durch den Funk gesagt wurden. Dieser Vorwurf wurde jedoch in einem späteren Statement der Polizei bestritten. Ich glaube Elias und ­seinen Freunden. Aus welchem Grund sollte sich eine Gruppe Jugendlicher, die soeben Gewalt erfahren hat und traumatisiert ist, so etwas ausdenken?

Elias meint jedoch, nicht sonderlich vom Rassismus der Polizei überrascht zu sein. ›Wenn ich mit Freund*innen unterwegs bin, die auch schwarz sind, werden wir immer aufgehalten und kontrolliert. Wenn ich mit weißen Freund*innen unterwegs bin, passiert das nie. ‹

Rassismus ist ein reales Problem, rassistisch motivierte Gewalt ebenso. Seien es verbale Angriffe, auf der Straße bespuckt zu werden, das Kopftuch in der U-Bahn heruntergerissen zu bekommen oder von fremden Männern* zusammengeschlagen zu werden, wie es bei Elias der Fall war. Die Spitze der Pyramide sind brennende Asylheime und abscheuliche Morde, wie sie in Hanau verübt wurden.

Die Ursache dafür finden wir in unserem System. Politiker*innen machen ungehemmt rassistische Äußerungen, drucken sie auf ihre Plakate und be­gehen damit ihren Wahlkampf. 

Die Europäische Union – und die ­österreichische Regierung unterstützt dies – lässt Schutzsuchende im Mittelmeer ertrinken, sieht anscheinend ­un­­bekümmert dabei zu, wie Flüchtlingslager wie Moria brennen und in Pandemiezeiten ohne Ressourcen und Versorgung ihrem Schicksal über­lassen werden. Wenn diese Form rassistischer Gewalt durch Institutionen wie Rechtsstaaten und die EU legi­timiert wird, brauchen wir uns nicht mehr fragen, wieso Privatpersonen rassistische Gewalt reproduzieren. Bei solchen Bildern lautet die Frage eher, ob vermeintlich europäische Werte wie Freiheit, Gleichheit und die Bewahrung der Menschenwürde exklusiv für auserwählte Personengruppen gelten sollen.

Doch exklusiv bleiben auch die ­Sorgen und Ängste der Menschen. ­Un­abhängig von Gerichtskosten, die die Familie im kommenden Prozess zu tragen hat, bleibt die Sorge der Mutter, ob ihr Sohn nicht wieder grundlos Gewalt erleben wird müssen. Für welche Eltern weißer Kinder ist es denn ein ­re­­-
alistisches Szenario, dass das Kind aufgrund der Hautfarbe von Erwach­senen auf der Straße zusammengeschlagen wird? •