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In die Wüste geschickt

Seit Frauen in Saudi-Arabien Auto fahren dürfen, besteht ein riesiger Bedarf an Fahrschulen. Claudia Gruber-Filippits ist eine der Östereicherinnen, die in dem islamischen Königreich zukünftige Fahrlehrerinnen ausbilden.

DATUM Ausgabe März 2021

Links König Salman, rechts Kronprinz Mohammed bin Salman, dahinter weht die saudi-arabische Flagge. Ein großer Fahrschulübungsplatz, auf dem sich Autos bewegen. Ein Klassenraum mit Frauen, deren schwarze Gewänder nur die Augen freilassen. Mittendrin eine europäisch aussehende Frau in einer dunklen Abaja, dem traditionellen bodenlangen saudi-arabischen Gewand.

Das Video, in dem das alles zu sehen ist, wurde am 1. Februar anlässlich der Eröffnung einer neuen Fahrschule für Frauen in Abha, der Hauptstadt der Provinz Asir im Südwesten Saudi-Arabiens, gezeigt. Die europäische Frau ist Claudia Gruber-Filippits, 48, aus Pfaffstätten, Niederösterreich. Seit zwei Jahren bildet sie saudi-arabische Frauen zu Fahrlehrerinnen aus, bereits mehr als 300 waren es bis 2020. In dieser Funktion war sie die einzige Nicht-Saudi, die bei der Eröffnung der Fahrschule mit dem Prinzen von Asir in einem Raum sein durfte.

Während es in Österreich im Februar 2021 grau und ungemütlich ist, hat es in Abha angenehme 23 bis 27 Grad, und während in Österreich die Geschäfte wieder aufsperren, geht Saudi-Arabien erneut in den Lockdown. Das bedeutet, dass der Unterricht ein wenig umgestaltet werden muss. Statt 24, wie es geplant war, dürfen nun nur noch 20 Personen in einem Raum sein. Vorerst geht der Unterricht aber weiter.

Als im Jahr 2018 das Fahrverbot für Frauen in Saudi-Arabien aufgehoben wurde, entstand ein großer Bedarf an Fahrschulen – für Frauen : Denn Frauen dürfen nicht gemeinsam mit Männern und nur von Frauen unterrichtet werden. › Da kamen wir ins Spiel ‹, sagt Claudia Gruber-Filippits. › Wir ‹, das ist die Test and Training International (TTI), eine Firma, die im Jahr 2006 vom ehemaligen Rennfahrer Alexander Wurz und dessen Vater Franz gegründet wurde und darauf spezialisiert ist, in aller Welt Fahrtrainingsanlagen zu errichten.

In Saudi-Arabien findet die gesamte praktische Führerscheinausbildung auf geschlossenen Plätzen statt, auf die Straße darf man erst, wenn man die praktische Prüfung bestanden hat. So ergab es sich, dass die TTI nicht nur die Übungsplätze entwickelte, sondern das gesamte Ausbildungsprogramm für die zukünftigen Fahrlehrerinnen.
Claudia Gruber-Filippits hat als Ins­truktorin für Fahrtechnik und Verkehrserziehung bereits viel internationale ­Erfahrung gesammelt, unter anderem in Russland, Aserbaidschan, Ägypten, Syrien und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Wenn sie gerade nicht im Ausland ist, arbeitet die gebürtige Wienerin, die alle Führerscheinklassen besitzt, im ÖAMTC-Fahrtechnikzentrum in Teesdorf (NÖ).

Auf Saudi-Arabien sei sie sehr neugierig gewesen, damals im Jahr 2018, bevor es losging. Eine neue Erfahrung war es vor allem, nur mit Frauen zu arbeiten, das sei aber sehr angenehm, sehr herzlich. › Speziell das erste Programm war herzzerreißend ‹, erzählt sie. › Unsere auszubildenden Fahrlehrerinnen haben uns später gestanden : Sie haben alle Angst gehabt, dass wir sie nicht akzeptieren werden, dass wir sie verurteilen werden, weil sie verschleiert sind. Sie haben sich alle so bemüht, waren so dankbar, dass da jemand kommt und mit ihnen an ihren Schwächen arbeitet. ‹ Beim Abschied sei es dann sehr emotional geworden : › Wir haben alle Blumen gekriegt und einen Spiegel, wo handschriftlich draufgeschrieben war : »für die Trainerinnen, die uns Gott gesandt hat.« ‹

Als im Jahr 2018 die Anfrage aus Saudi-Arabien kam, entwickelte die TTI zusammen mit Easy Drivers, der größten Fahrschulkette Österreichs, ein komplettes Ausbildungsprogramm für Fahrtrainerinnen. Anfang 2020 wurde eine Suchaktion für österreichische Fahrlehrerinnen gestartet, die ihr Wissen in Saudi-Arabien weitergeben wollten. Dazu mussten sie mindestens fünf Jahre Erfahrung haben und gut Englisch sprechen. In wechselnden Teams reisen die Frauen seither jeweils für mehrere Wochen nach Saudi-Arabien, jedes Mal in eine andere Fahrschule. In der Regel gibt es für 30 angehende Fahrlehrerinnen drei Trainerinnen aus Österreich. Der Unterricht findet auf Englisch statt. Drei einheimische Co-Trainerinnen unterstützen und übersetzen für die Schülerinnen ins Arabische.

In Kursen, in der Corona-Zeit virtuell, wurden die österreichischen Trainerinnen auf ihren Einsatz vorbereitet, auf die kulturellen Besonderheiten – › die Gebetszeiten ändern sich von Ort zu Ort und von Tag zu Tag, freitags ist frei ‹ –, bekamen zusätzlichen Englischunterricht und lernten die saudi-arabischen Verkehrsregeln. Die Führerscheinausbildung in Saudi-Arabien ist in einem strikten Kursprogramm organisiert und umfasst 30 Einheiten, auf einen Theorieteil folgen ein paar Stunden am Simulator und dann praktische Einheiten auf dem Übungsplatz. Bei allen formellen und kulturellen Unterschieden trennt die saudi-arabischen Fahranfängerinnen › erstaunlich wenig ‹ von den österreichischen, erklärt die erfahrene Fahrlehrerin : › Dass man vergisst zu schauen, die entsprechenden Blicke zu setzen, das ist, glaube ich, ein internationales Thema. ‹ Auffallend sei allerdings, dass viele Frauen in Saudi-Arabien zwar die Theorie sehr gut lernen würden, aber Probleme hätten, das Gelernte in die Praxis umzusetzen.

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