›Irgendwann bin ich nicht mehr trans‹
Das Thema Hormonbehandlungen bei transidenten Minderjährigen regt derzeit auch in Österreich auf. Dabei gibt es hierzulande eine gut funktionierende Praxis für den Umgang mit den Betroffenen und ihren Bedürfnissen.
Als er 13 ist, steigt Alex Schipper* in einen Schulbus, der ihn zur Skiwoche bringt. Seinen Eltern drückt er davor ein Fotoalbum in die Hand, das sie erst öffnen dürfen, wenn er weg ist. Zu diesem Zeitpunkt ist Alex für seine Eltern noch eine Tochter. In das Album hat er Bilder seines Aufwachsens geklebt. Es sind Aufnahmen eines burschikosen Mädchens, das seinen Geburtstag feiert oder im Familienurlaub posiert. Parallel zu diesen Eindrücken beschreibt Alex handschriftlich, was ihm all die Jahre eigentlich durch den Kopf gegangen ist: das Unbehagen in seinem weiblichen Körper, die Angst, er könnte lesbisch sein, die generelle Scham, die ihn nie loslässt. An mehreren Stellen entschuldigt er sich bei seinen Eltern, um ihnen schließlich mitzuteilen: ›Ich bin trans‹.
Alex’ Mutter, Sara Schipper, und ihr Mann lesen das und brechen in Tränen aus. Sie schreiben ihrem Kind eine Nachricht: ›Wir stehen hinter dir, egal was kommt.‹ Dann beginnt die Mutter im Internet zu recherchieren. Auf Youtube sieht sie erwachsene transidente Personen, die ein durchschnittliches, glückliches Leben führen. Sie sieht aber auch Videos aus den USA und Großbritannien, in denen sie von jungen Menschen erfährt, die sich einbilden, trans zu sein, denen leichtsinnig eine Geschlechtsumwandlung gewährt wird und die ihre Entscheidung im Erwachsenenalter bereuen. Zum ersten Mal erfährt sie von den Möglichkeiten von Pubertätsblockern und Hormontherapien und ist bestürzt: ›Meinem gesunden Kind Hormone spritzen? Warum sollte man derartig in die Natur eingreifen?‹
Wie viele minderjährige Personen in Österreich derzeit mit Östrogen oder Testosteron behandelt werden, wird nicht erhoben. Man könne nur schätzen, eine seriöse Zahl gebe es nicht, so Martin Fuchs, Kinder- und Jugendpsychiater am LKH Hall in Tirol. Fuchs selbst hat den Spezialbereich für Kinder und Jugendliche innerhalb des Transgender Center Innsbruck aufgebaut, der das Einzugsgebiet Vorarlberg, Tirol und teilweise Salzburg abdeckt. In dieser Spezialambulanz sind aktuell rund 70 Minderjährige in Hormonbehandlung. Um Zahlen für ganz Österreich erheben zu können, bräuchte es laut Fuchs unter anderem mehr solcher Zentren.
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