Tapetentür zur Macht
Wie es ein Foto aus der Hofburg in den deutschen Wahlkampf geschafft hat.
Der sogenannte Ananasdamast kennzeichnet die Prunkräume und die kaiserlichen Privatgemächer der Habsburgermonarchie. Auch die berühmte Tapetentür im Leopoldinischen Trakt der Wiener Hofburg ist mit dem roten Seidenstoff bespannt. Eigentlich werden hier stilisierte Pinienzapfen, seit der Antike ein Symbol für Fruchtbarkeit, Auferstehung und Unsterblichkeit, dargestellt. Jedenfalls hat das Setting etwas Imperiales und Pittoreskes. Es steht für alt-österreichische Folklore.
Weil diese Tür in das Arbeitszimmer des Bundespräsidenten führt, wird sie im Rahmen von Staatsbesuchen oder Sondierungsgesprächen besonders oft angestarrt und abgebildet. Nach dem Handshake verschwindet das Staatsoberhaupt mit seinen Gästen dahinter und die Journalisten warten im Maria-Theresien-Saal.
So war es auch am 6. Jänner 2025, als sich Van der Bellen gezwungen sah, FPÖ-Chef Herbert Kickl mit der Regierungsbildung zu betrauen. Diesen historischen Moment wird man retrospektiv als den Beginn eines neuen Kapitels in der österreichischen Geschichte erinnern. Bebildert wird der Tabubruch meist mit Kickl, der aus der berühmten Tür tritt. Verschreckt, fast ein bisschen ängstlich sieht er auf manchen Fotos aus. Auf anderen erscheint er schelmisch und neugierig, wenn er – guck-guck – den Kopf in den Saal steckt.
In Deutschland bastelte die Linkspartei mit einem dieser Fotos ein Wahlwerbungsposting auf Instagram: ›Er ist wieder da‹ ist im Foto zu lesen. ›Kommt von rechts: FPÖ-Chef Herbert Kickl‹, lautete die Bildunterschrift auf zeit.de, wo der Wien-Korrespondent Stephan Löwenstein in einem Kommentar fragte: ›Wie schaffte es Herbert Kickl nach oben?‹ Das Wirtschaftsmagazin Forbes schrieb von einer ›Bewegung in eine politische Gefahrenzone‹. Als ›klein, bebrillt und langweilig‹ wurde Kickl in der Wochenzeitung The Economist beschrieben. Dass die goldene Türschnalle für heutige Verhältnisse besonders hoch angebracht ist, wirkt einschüchternd und lässt jeden, der durch diese Tür tritt, klein ausschauen.
Gerade bei einem Treffen mit dem Bundespräsidenten möchte so mancher Gast gerne am Image naschen und staatstragend rüberkommen. Eine beliebte Geste auf PR-Fotos ist die Hand, die dem anderen den Weg weist und den Vortritt lässt. Politiker wollen zeigen, wo es langgeht und zugleich einen höflichen Eindruck machen. Ein journalistisches Foto hingegen zielt nicht auf einen Imagetransfer oder eine geschönte Darstellung ab, sondern will die Aufmerksamkeit des Publikums durch einen ungewöhnlichen Blickwinkel einfangen. Es nutzt ein Schema, das dargeboten wird – z.B. ›Mensch geht durch Tapetentür‹ – auf originelle Weise, ist aber dennoch immer bedacht darauf, die Realität abzubilden. Zeigen, was ist, so lautet das oberste Prinzip. Die zentrale Referenzgröße im Fotojournalismus ist schließlich die Authentizität.
›Diese Tür hat den Vorteil, dass man Menschen so fotografieren kann, dass man nur einen Teil des Gesichts sieht – so, dass die Person gerade noch erkennbar ist‹, sagt Matthias Cremer, der jahrzehntelang für die Tageszeitung Der Standard fotografiert hat. Um diesen speziellen Moment einzufangen, muss man sich gut konzentrieren.
Dabei hilft, dass es sich um eine Doppeltür handelt. Cremer verrät einen Trick: Dringt durch den Türschlitz unten Licht, weiß man, dass die Innentüre sich geöffnet hat und ist vorgewarnt, dass eine Sekunde später jemand in den Raum tritt. •