2010: Kleider machen Leute
In Österreich gehören sie zum Straßenbild: die Container von Humana. In ihnen landen Kleiderspenden. Für den guten Zweck. Humana gibt vor, eine Hilfsorganisation zu sein. Doch der Verein ist mehr: kommerziell und undurchsichtig. Nur ein Bruchteil der Spenden landet in Afrika.
Es mieft. Willkommen in der Welt von Humana. Die Tür zum Second-Hand-Geschäft steht offen, der modrige Geruch alter Kleidung hängt dennoch in der Luft. Im Humana-Flagship-Store in der Lerchenfelder Straße im siebenten Wiener Gemeindebezirk gehen nur die feinsten Stücke über den Ladentisch. Gewaschen werden die alten Klamotten in der Regel nicht. An Kreuzständern hängen psychedelisch gemusterte T-Shirts, Spitzkragenhemden und bunte Damenkleider aus den 70ern. Einen Trenchcoat der englischen Nobelmarke Burberry gibt es für 136 Euro. Eine Offiziersjacke des österreichischen Bundesheeres, komplett mit Rangabzeichen und dem eingenähten Hinweis ›Heereseigentum‹, geht um 42 Euro an den Mann.
Im Premiumstore scheinen alle zu profitieren. Jene, die sich für wenig Geld modisch einkleiden wollen. Und – geht es nach Humana – auch hilfsbedürftige Menschen in der Dritten Welt. Menschen wie der junge Jackson aus Sambia, dessen Foto an der Wand hängt. Daneben ein Brief, in dem er mit krakeliger Handschrift um Schulbücher bittet, weil er in Mathe Probleme hat. Die Botschaft: Je mehr du kaufst, desto besser für Jackson, desto besser für all die anderen afrikanischen Kinder, deren Fotos die Wände des Shops zieren.
Hinter der Geschichte
Die Recherche begann mit dem Hinweis einer Person aus meinem Bekanntenkreis, die eine Zeit lang in einem Humana-Shop gearbeitet hatte. Viele in Wien kennen die Humana-Kleiderboxen. Vom undurchsichtigen Geschäft mit der Altkleidung und der mysteriösen dänischen Eigentümer-Gruppe wussten die wenigsten, weswegen Florian Skrabal und ich die Geschichte DATUM vorschlugen.
Im deutschsprachigen Raum waren wir die ersten, die die Hintergründe hinter Humana wirklich aufgezeigt haben. Schnell war klar, dass es sich bei Humana um mehr als nur eine Gruppe idealistischer Alt-Achtundsechziger handelt. Ich weiß aber nicht, ob sie heute noch so agieren wie damals.
Auch Jahre später wurde ich noch auf die Geschichte angesprochen. Irgendwann kam sie dann sozusagen wieder zu mir zurück, als mir eine Zufallsbekanntschaft riet, ja keine Kleidung bei Humana einzuwerfen. Ich habe dann noch rund ein Jahr für DATUM geschrieben. Florian Skrabal gründete später die vielfach ausgezeichnete Rechercheplattform Dossier, wo sich unsere Wege wieder kreuzten. Bis heute ist er dort Chefredakteur. Ich wechselte zur Neuen Zürcher Zeitung (NZZ.at) und dann in die Digitalredaktion des Kurier. 2022 verließ ich den Journalismus. Heute leite ich das Marketing für das Wiener Technologie-Startup Jentis.
Moritz Gottsauner-Wolf
In Österreich gilt Humana gemeinhin als karitative Organisation. Prospekte erzählen von zahlreichen Projekten, die Humana People to People mit dem Verkauf von Altkleidung in aller Welt finanziert. ›Wenn ein Kunde danach fragte, sollten wir ihm so viel wie möglich darüber erzählen. Das stand in der Dienstordnung‹, sagt Eva H. (Name von der Redaktion geändert). Rund ein Jahr lang schuftete sie in einem der insgesamt elf Geschäfte der Humana in Österreich. Eva H. stand hinter der Kassa, sortierte tausende Kleiderstücke ein und hielt den Laden sauber. Nach den Hilfsprojekten hat sie nie jemand gefragt. ›Ich wollte was Gutes tun und dabei Geld verdienen‹, sagt sie. Ihren richtigen Namen will die ehemalige Mitarbeiterin nicht in der Zeitung lesen. Eva H. hat nichts Positives mehr über diese Zeit zu erzählen. Sie ist enttäuscht: ›Bei Humana decken sie dich nur mit Arbeit ein. Der Mensch interessiert nicht, es geht nur um das Geschäft.‹
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