Ein Leben im Tag von … Angela Stöger
Die Elefantenforscherin über Stoßzähne, Klo-Pausen und tellergroße Taranteln.
Meine Tage in Südafrika beginnen mit dem Sonnenaufgang. Je nach Jahreszeit kann das fünf oder sieben Uhr morgens sein. Wenn ich Elefanten beobachte, möchte ich so viel Zeit wie möglich mit den Tieren verbringen, und das bedeutet, möglichst schnell aus unserem Camp in den Nationalpark zu fahren.
Das mag jetzt komisch klingen, aber es ist ziemlich wichtig, vor dem Start auf die Toilette zu gehen. Im Park gibt es wenige Möglichkeiten, aus dem Jeep zu steigen, um sein Geschäft zu verrichten, dafür eine ganze Menge Löwen und Schlangen. Einfach schnell hinter einen Busch zu hüpfen, ist quasi unmöglich.
Im Park angekommen, suche ich dann Elefanten. Dabei nehme ich nicht die erstbeste Herde, die am Wasserloch vorbeizieht, sondern meistens bestimmte Familien. Anhand der Ohren und Stoßzähne kann ich fast jeden Elefanten zuordnen. Ihre Familien sind in Buchstaben unterteilt. Die Namen der Mitglieder von Herde C beginnen zum Beispiel alle mit diesem Buchstaben. Catherin oder Chicky Chops. Getauft werden sie von den Parkwächtern.
Sobald ich sie gefunden habe, baue ich Mikrofone und Lautsprecher auf. Ich spiele Elefantenlaute ab und nehme die Reaktionen der Elefanten auf. Ein Wörterbuch kann ich so nicht erstellen. Ich kann aber Lauten eine klare Bedeutung zuordnen. Das beginnt bei Paarungsrufen und endet beim schlichten Durchzählen der Herde. Wenn Elefanten länger am Wasserloch trinken, kontrollieren sie, ob noch alle da sind. Jeder von ihnen trötet dann einmal kurz.
Der Hauptteil meiner Arbeit im Park besteht aber aus Warten. Für Elefanten gibt es in der Regel zwei Dinge im Leben: Essen und Trinken. Und beides machen sie sehr gemächlich. Das kann zwischenzeitlich auch fad werden, aber aufmerksam bleiben muss ich trotzdem. Einmal bin ich fast eingeschlafen, und plötzlich sah ich im Seitenspiegel, dass von hinten ein junger Bulle mit flatternden Ohren auf mich zulief.
Hin und wieder treffe ich auch Touristen auf der Suche nach Raubtieren. Leider kann mich ihre Anwesenheit bei meiner Arbeit behindern. Wenn ich also weiß, wo Elefanten sind, und die Touristen mich fragen, wo es denn Tiere zu sehen gäbe, schicke ich sie meistens in eine andere Richtung, damit ich Ruhe habe. Löwen, die viel interessanter für die Touristen sind, gibt es auch anderswo. Und irgendwie ist dieses leichte Flunkern dann ja auch zum Wohle der Wissenschaft.Denn meiner Meinung nach sollten wir die Lebewesen, mit denen wir die Erde teilen, bevor wir sie womöglich ausrotten, zumindest noch kennenlernen. Einfach um zu wissen, was sie bräuchten, um in unserer Welt zurechtzukommen. Und Elefanten sind nicht nur sehr beliebte Tiere in Zoos oder auf Safaris. Sie sind auch enorm wichtig für das Klima. Sie erhalten maßgeblich unsere Waldstruktur, Biodiversität und gestalten Lebensräume für hunderte andere Spezies. Schützen wir den Elefanten, schützen wir auch viele andere Tiere und Pflanzen.
Spätestens, wenn die Nacht hereinbricht, fahre ich dann wieder zurück ins Camp. Das kann auch erst nach zwölf Stunden Arbeit im Jeep passieren. Ich esse dann kurz zu Abend, speichere Daten und digitalisiere Notizen. Manchmal sitze ich dafür bis Mitternacht.
Bevor ich schlafen gehe, kontrolliere ich nochmals mein Zimmer. In Afrika haben Insekten eine andere Größe als bei uns in Österreich. Einmal hatte ich eine tellergroße Tarantel auf dem Kühlschrank sitzen. Die hat sich zum Glück schnell verzogen, auch wenn ich bis heute nicht genau weiß, wohin. Viel gefährlicher sind aber Schlangen. Ich schaue deshalb immer gern kurz unter das Bett, bevor ich das Licht ausknipse und den Tag beende. •
Angela Stöger (46) ist Zoologin an der Uni Wien und beschäftigt sich mit der Kommunikation von Säugetieren, im Moment vor allem mit Elefanten. Deshalb verbringt sie drei Monate im Jahr in Südafrika. Ihr neues Buch ›Elefanten: Ihre Weisheit, ihre Sprache und ihr soziales Miteinander‹ (Brandstätter Verlag) erscheint am 4. September.