Herrschaftszeiten

DATUM Ausgabe September 2023

Maïwenn, eine französische Schauspielerin und Regisseurin, hat einen Film über Jeanne du Barry, Mätresse des französischen Königs Ludwig XV. und Schwiegervater Marie Antoinettes gemacht. Regie, Buch, Hauptrolle, ein Film von, für und über: Maïwenn, die aus Coolnessgründen auf ihren Nachnamen verzichtet. Das Praktische an diesem Film ist, dass Sie, wenn Sie schon einmal Pretty Woman oder irgendeine andere prostitutions- und ausbeutungsverherrlichende Romantische Komödie gesehen haben, bereits mitten in der Materie sind.

Auch hier bezaubert eine Kurtisane mit kindlichem Charme einen Aristokraten (beziehungsweise Großkapitalisten), gespielt von Johnny Depp, wickelt ihn keck um den Finger und weint bittere Tränen, um schließlich Königin der Herzen zu werden. Die voll gemeine und ur ungerechte französische Revolution beendet einen Traum in Rosa, und so fragt der Film sich, ob das alles echt sein musste. Weil die Kleider und der Palast waren sehr hübsch. Herrliche 18. Jahrhundert-Kostüme, Versailles, seifenopernhafte Kitschmusik, Aschenputtels böse Schwestern und ein schwarzer Sklave (zu dem nur Jeanne du Barry total nett ist, was eine kurze Internet-Recherche über die historische Jeanne du Barry allerdings widerlegt) komplettieren das geschichtsrevisionistische und geschlechterpolitisch höchst fragwürdige Machwerk Jeanne du Barry.

Bleibt nur die Frage, warum, Herrschaftszeiten, diese Erzählung 2023 das Filmfestival in Cannes eröffnen durfte?

Jeanne du Barry 

Regie: Maïwenn 

Ab 24. 8. im Kino 

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