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Sihaam

Wie eine Schüler*innen-Aktivistin zur Zielscheibe von FPÖ-Attacken wurde.

DATUM Ausgabe November 2020

Ist diese Vertreterin der SPÖ-Vorfeldorganisation AKS die Zukunft der Sozialdemokratie ? Abgeord­ne­te, Landesrätinnen und Ministe­­r­­in­nen bald mit streng islamischen ­Kopftüchern ? Die Ideologie der Muslimbrüder in ­unserem Parlamenta­rismus ? ‹ 

Dieses Zitat ist einem Twitter-­Posting des Wiener Landtagsabgeordne­­ten der Freiheitlichen Partei, Leo Kohlbauer, vom 7. November entnommen. Die Worte fand er in Reaktion auf einen Medienbericht, der die 17-jährige Sihaam Abdillahi auf einer Demo zeigt.

Eigentlich ging es bei der Demons­tration, die von der Aktion kritischer Schüler*innen organisiert worden war, darum, auf den Schulstart hinzuweisen, der eingeleitet wurde, ohne von sicheren und klar definierten Corona-Schutzmaßnahmen begleitet zu werden. Weiters sollte die Demonstration in den Diskurs tragen, dass vor allem Schüler*innen, die aus sozioökonomisch schwächeren Familien kommen, aufgrund fehlender finanzieller Mittel und anderer Ressourcen während des Homeschoolings immer weiter zurückgefallen sind und es gilt, diesen jungen Menschen unter die Arme
zu greifen und sie zu unterstützen. 

Als Aktivistin und Mitglied des Schü­­ler*innenparlaments hat auch Sihaam auf der Demonstration eine Re­­de gehalten. Man könnte meinen, dass Schüler*innen, die sich aktiv und kritisch in unser demokratisches System einbringen und wichtige politische Arbeit leisten, unterstützt gehören. Aber der Abgeordnete Leo Kohlbauer fand es nicht relevant, auf die Aussagen des jungen Mädchens* einzu­gehen. Der größte Störfaktor war in seinen Augen nämlich nicht der Inhalt ihrer Aussagen, sondern ihr äußeres Erscheinungsbild. 

Das zutiefst rassistische Statement des Abgeordneten schockiert, scheint Sihaam aber nicht sonderlich mitgenommen zu haben. Sie sagt, sie sei sich bewusst, dass sie als schwarze, kopftuchtragende Frau* in unserer rassis­tischen Gesellschaft auf Widerstand treffen wird. Das Privileg eines weißen, blauäugigen Max Mustermann hat sie nicht, der an dem Wert und Inhalt seiner Aussagen gemessen und kri­ti­siert wird. Deshalb meint sie, als erkennbar schwarze Muslimin, doppelt und dreifach so viel leisten zu müssen wie andere, um die rassistischen Hürden unserer Gesellschaft zu über­winden.

Obwohl sie mit dem Gedanken spielt, rechtlich gegen die Hetze vorzugehen, findet sie es wichtig, realistisch zu bleiben. Wenn Norbert Hofer sich auf ein Podest stellen und meinen kann, dass der Koran gefährlicher als Corona sei, und der Immunitätsausschuss später einstimmig seine Aus­lieferung verweigert, erübrigt sich die Frage, wie mit offener Islamophobie in Österreich umgegangen wird. 

Selbst Justizministerin Alma Zadić hat mit Anfeindungen zu kämpfen, ­be­­kommt von Seiten der FPÖ absurder­weise vorgeworfen, Verbindungen zu Islamist*innen zu unterhalten und wird im Netz mit Hass überhäuft. Deshalb, sowie aufgrund von Morddrohungen, steht sie unter Polizeischutz. Dabei ist ihre Arbeit als Mi­nisterin* nie der Grund für den als › Kritik ‹ getarnten Hass. Die Tatsache, dass die einzige Ministerin mit Mi­grationsbiografie Polizeischutz benötigt, um ihr Amt ausüben zu können, stellt der österreichischen Gesellschaft ein Armutszeugnis aus und führt uns vor Augen, wie tief Rassismen und Sexismen verankert sind.

Auf die Frage, ob Sihaam sich nicht Sorgen macht beziehungsweise Ängste mit sich trägt, meint sie mit beeindruckend starkem Blick, dass sie eines ­wis­se : Alle weißen alten Männer*, die an ihr etwas auszusetzen haben, bestärken sie in ihrer Arbeit und treiben Wind unter ihre Flügel.

Ihr ist bewusst, wie wichtig es ist, sich Raum im öffentlichen und poli­tischen Raum zu nehmen und sich nicht mit der passiven, fremdbestim-
mten Rolle, die ihr als schwarze Muslima zugeschrieben wird, abzufinden. Eine wahre Inspiration !  •