Utopisch essen

Über den Trend zu veganem und antialkoholischem Fine Dining.

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Illustration:
Blagovesta Bakardjieva
DATUM Ausgabe September 2024

Essen zu zelebrieren, ist eines der Versprechen des Fine Dining. Das geht selbstverständlich auch vegan und in letzter Zeit geht es außerdem auch ohne Wein. Mimimi, sagen Sie, von vegan werd ich nicht satt und ohne Alkohol macht alles keinen Spaß, das ist kein Fest. Aber nein, Sie täuschen sich, seien Sie mal ein bisschen cool, oder wenigstens nicht ganz so beschränkt wie sonst. Drehen Sie sich kurz mal weg von den internationalen Nachrichten, zur Abwechslung gibt’s gute Neuigkeiten. Sie können es moralisch richtig machen (regional, saisonal, gesund, Zero Waste, Personal über Kollektivvertrag bezahlt), ganz konkret luxuriös reinvöllern und sich dabei voll okay fühlen.  Prost, Mahlzeit, hauen Sie rein. Und ›Think globally, act locally‹, oder was auch immer Sie sich sonst sagen, wenn Ihre Nachhaltigkeitsvorsätze mal so richtig aufgehen. 

Nämlich indem Sie sich im Wrenkh (in den 80ern Pionier der edlen vegetarischen Küche), einem gemütlich-schlichten Lokal mit freundlicher Stimmung  in der Wiener Innenstadt, ein abwechslungsreiches, geschmacksintensives, verhältnismäßig günstiges 5-Gang-Menü servieren lassen. Zu jedem Gang trinken Sie aufregende, neuartige Säfte. Oder meinetwegen Wein, Sie Rock’n’Roller. Die Säfte gibt es als fermentierten Marillensaft mit Heu-Aroma (gute Kombi), als Birkensaft mit Weihrauch (speziell, aber passabel) oder als kräftigen Birnensaft. Der Vorteil an der ›Kein-Alkohol-Weinkarte‹ ist, dass Sie danach nüchtern sind, also geistesgegenwärtig. Sie können die fein austarierten Aromakombinationen der Speisen bei vollen Sinnen wahrnehmen und sich danach an alles erinnern.

Und memorabel ist hier viel: geflämmte Artischocke auf Linsentahina, Melanzani in Bierteig auf Erbsen-Guacamole, Kimchi-Pasta mit Räuchertofu und Cashew-Miso-Parmesan an gebratenem Sesam-Nori oder veganes Steak mit Portweinsauce, das in Konsistenz und Geschmack sehr an Fleisch erinnert und dessen medium gebratenes Inneres sogar in Form von dünnem roten Bohnensaft ›blutet‹.

Spätestens beim Pfirsichsorbet auf Mandelcreme sind Sie so genüsslich voll, dass sie dem fehlenden Fleisch und Nervengift nicht mehr nachtrauern und sich eine Zukunft ohne zumindest theoretisch vorstellen können. Und wenn es denn so sei, dass Sie diesen Traum bei Ihrem nächsten Salamibrot und dem nächsten Rausch vergessen haben. Dann denken Sie ab und zu halt wieder ein bisschen locally, die nächste saisonale Mini-Utopie ist nur wenige Schritte vom Stephansplatz entfernt. •

WRENKH · Bauernmarkt 10 · 1010 Wien · www.wrenkh-wien.at

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