›Capri statt Lignano‹
Ist Österreich ein gerechtes Land? Und wenn ja, für wen? Ein Gespräch über den Sozialstaat, der oft die Falschen trifft.
Noch bevor die vereinbarte volle Stunde geschlagen hat, finden sich die drei Gesprächsteilnehmer in der Redaktion ein. Die Ökonomin Margit Schratzenstaller schüttelt sich den Regen aus dem Schal, sie ist mit dem Fahrrad hergefahren. Alexander Maly, langjähriger Schuldenberater, kommt gleich nach ihr. Bis der Industrielle Hans Peter Haselsteiner eintritt, haben sie sich kaum hingesetzt. Diesig drückt der Frühsommer durch das Fenster, der Kaffee fällt in dicken Tropfen in die Kanne. Ein Glas Wasser für jeden.
Geplant ist ein Gespräch über Geld und Vermögen, das sich zu einer Diskussion über die Rolle des Staates entwickelt. Und über die Verantwortung des Einzelnen.
Frau Schratzenstaller, der Satiriker Kurt Tucholsky hat einmal gesagt, dass das Volk das meiste falsch versteht, aber das meiste richtig fühlt. Viele Leute empfinden eine große Ungerechtigkeit im Land. Sie sind Ökonomin, Sie kennen die Zahlen. Fühlt das Volk richtig?
Schratzenstaller: Das kommt darauf an, welchen Bereich man sich anschaut. Wir haben zum einen die Einkommensverteilung, also die Verteilung von Arbeitseinkommen und sonstigem Einkommen aus selbstständiger Arbeit und Kapitaleinkommen. Da ist die Ungleichheit in Österreich im internationalen Vergleich relativ begrenzt – auch weil der Staat recht stark umverteilt. Zum anderen wird in den letzten Jahren zunehmend über die Vermögensverteilung diskutiert. Hier ist die Ungleichheit in Österreich auch im europäischen Vergleich relativ groß.
Das reichste Prozent der privaten Haushalte besitzt ungefähr 40 Prozent des Nettovermögens. Wir sprechen hier von 534 Milliarden Euro. Dem stehen neunzig Prozent gegenüber, die deutlich weniger haben.
Schratzenstaller: Wir wissen aus einer Reihe von internationalen Studien, dass die Ungleichheit ökonomisch ein Problem sein kann. Wir wissen, dass der gesellschaftliche Konsens erodiert, wenn der soziale Zusammenhalt abnimmt und die Ungleichheit zunimmt. Wir wissen, dass die Chancengleichheit sinkt, wenn Einkommen und Vermögen ungleich verteilt sind. Da muss sich der Staat fragen, wie er dieser Ungleichheit entgegenwirken will. Zum Beispiel, wenn die Ungleichheit dazu führt, dass wir einen gewissen Teil der Talente nicht ausschöpfen können, weil wir bestimmte Gruppen von Bildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten ausschließen.
Stephen Hawking war kein Ökonom, aber zweifelsohne ein kluger Kopf. Er meinte, auf die Ungleichheit angesprochen, dass der Mensch die Welt zerstören, aber ihr nicht entkommen kann. Herr Haselsteiner, Sie haben das größte Bauunternehmen des Landes aufgebaut. Sie sind ein ohne Zweifel reicher Mann. Hat das Volk recht?
Wörter: 3413
Lesezeit: ~ 18 Minuten
Diesen Artikel können Sie um € 1,50 komplett lesen
Wenn Sie bereits Printabonnentin oder Printabonnent unseres Magazins sind, können wir Ihnen gerne ein PDF dieses Artikels senden. Einfach ein kurzes Mail an office@datum.at schicken.