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›Die Verzweiflung ist riesengroß‹

Der Neurologe und Long-Covid-Spezialist Michael Stingl über mangelnde Versorgung, politisches Versagen und wie ihm einst ein Patient erklärte, was ME/CFS eigentlich ist.

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Fotografie:
Ursula Röck
DATUM Ausgabe November 2025

Herr Stingl, es gibt kaum eine Erkrankung, die so polarisiert wie ME/CFS. Gibt es ein Vorurteil über Betroffene, das Sie nicht mehr hören können?

Michael Stingl: Dass ihre Symptome rein psychosomatisch seien. Dabei ist inzwischen wissenschaftlich sehr gut belegt, dass es sich um eine somatische schwerwiegende Erkrankung handelt. Trotzdem wird Betroffenen bis heute unterstellt, sie wären faul oder würden irgendeinen Gewinn aus der Situation ziehen. Da frage ich mich: Was ist der Gewinn von jemandem, der das Haus nicht verlassen kann? Der den ganzen Tag im Dunkeln liegen muss? Für viele meiner Patientinnen und Patienten ist das Leben eine Katastrophe.

Wie viele Menschen mit Long Covid oder ME/CFS betreuen Sie derzeit?

Ich habe vier Tage in der Woche Ordination, in diesen vier Tagen sehe ich zwischen 50 und 60 Patienten, von denen die meisten ME/CFS haben, der größte Teil davon nach einer Covid-Erkrankung. 

Sie wurden während der Pandemie als einer der wenigen ME/CFS-Spezialisten im Land bekannt und mit Anfragen überhäuft. Vor zwei Jahren haben Sie einen Aufnahmestopp verhängt. Gilt der nach wie vor?

Ja, es geht nicht anders. Es war nicht mehr zu schaffen. Ich bekomme aber trotzdem laufend neue Anfragen, sicher zehn E-Mails pro Tag. Die fangen dann meistens so an: ›Ich weiß, Sie haben einen Aufnahmestopp, aber können Sie mir irgendwie helfen?‹. Die Verzweiflung ist riesengroß. 

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