Editorial
Liebe Leserin, lieber Leser,
mit dem Essen ist das wie mit Information. Wer nur Junk-Food zu sich nimmt, der schadet seinem Körper und fördert die Junk-Food-Industrie. Wer einen korrupten, verkürzenden, übergriffigen Interessenjournalismus konsumiert, der fördert eben diesen und tut sich selbst nichts Gutes.
Lebensmittelqualität, es hat sich bereits herumgesprochen, ist wichtig für unseren Körper. Und Informationsqualität ist wichtig für unseren Kopf. Sie entscheidet darüber, wie wir die Welt sehen und uns darin bewegen, wie wir den anderen sehen und miteinander umgehen.
In der Lebensmittelindustrie spricht man zunehmend von Tierwohl und von Bio-Landwirtschaft. Vielleicht sollten wir in der Informationsindustrie von Gemeinwohl und, ja, von Bio-Journalismus sprechen. Letzterer ist sich seiner Verantwortung bewusst: gegenüber Leserinnen, Sehern, Hörerinnen; gegenüber den Themen, die er auswählt, den Geschichten und den Menschen, von denen sie handeln; gegenüber seinem Handwerk, dessen Transparenz und Qualitätskontrolle.
Wahlkämpfe sind eine gute Gelegenheit, um die großen Fragen zu verhandeln: Wohin wollen wir uns als Land, als Gesellschaft entwickeln? Im kürzlich zu Ende gegangenen Wahlkampf wurde diese Gelegenheit nur wenig genutzt. Das hatte mit unserer Informationsindustrie zu tun.
Zu viele Junk-Food-Politiker haben in Junk-Food-Medien und Junk-Food-Formaten ihr Junk-Food aufgetischt. Das ist zunächst einmal schade – und langfristig besorgniserregend. Mit der Eieruhr gestoppte Monolog-Debatten mit Live-Analyse und Performance-Voting bringen Junk-Food-Journalismus und Junk-Food-Politik weiter. Eine Gesellschaft bringt das nicht voran.
Wie können wir gegensteuern? Indem wir uns zunächst einmal nicht von Lautstärke und Geschwindigkeit so genannter Tagesaktualität und so genannter sozialer Medien kirre machen lassen, von ihrer Polarisierung und Effekthascherei. Stattdessen können wir unsere Aufmerksamkeit Phänomenen und Entwicklungen schenken, die unsere gemeinsame Zukunft stärker prägen als die nächste Pressekonferenzshow, der nächste Twitter-Skandal, die nächste Wer-mit-wem-Spekulation. Gemeinsam können wir die richtigen Fragen stellen, taugliche Antworten suchen und einfordern. Nicht nur im Wahlkampf.
Für die Ausgabe, die Sie in Händen halten, haben wir ein paar kleine und ein paar größere Fragen gestellt: Welche neue Rolle spielt Tierwohl für Handel, Bauern und Konsumenten? Welches Heer braucht Österreich? Was blieb von den Unibrennt-Protesten vor zehn Jahren? Was lernen wir vom Kampf von Bürgerrechtlern in Polen, in Ungarn und Österreich über unsere Freiheiten? Und was von den Finnen über Glück?
Solche Fragen haben wir auch in unserem Jubiläumsbuch ›Wo sind wir hier eigentlich? Österreich im Gespräch‹ gestellt und gemeinsam mit 51 Menschen aus unterschiedlichen Disziplinen debattiert. Diese Debatte wollen wir nun fortsetzen, gemeinsam mit Ihnen.
Deshalb gehen wir Ende Oktober, unterstützt vom Brandstätter Verlag und der Buch Wien, auf Bundesländertour. In unterschiedlicher Besetzung werden wir in Buchhandlungen darüber diskutieren, wo unser Land steht, wohin unsere Gesellschaft steuern soll. Die Termine finden Sie auf Seite 6 sowie auf www.datum.at
Ich darf Ihnen viel Vergnügen wünschen bei den Seiten der Zeit und Sie einladen: Kommen wir ins Gespräch.
Ihr Stefan Apfl
stefan.apfl@datum.at
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