Editorial
als sich Ende letzten Jahres eine schwarz-grüne Regierung anbahnte, schien eine Caritas-Koalition denkbar; eine Regierung jenes bürgerlich-katholischen Milieus, das in Sakristeien, Jungscharlagern und Dritte-Welt-Läden sozialisiert wurde. Mildtätige Schwarze, katholische Grüne, Cumbaya mit Machtanspruch. Eine Caritas-Koalition eben, die im Gegensatz zur Ibiza-Koalition eine kluge und humanistische Integrationspolitik verfolgen würde.
Nun haben wir tatsächlich eine Caritas-Koalition. Bloß funktioniert die bisher gänzlich anders als gedacht.
Ein Beispiel: An einem Mittwoch im Februar ließ sich Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) gemeinsam mit Caritas-Präsident Michael Landau, Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne) und children of color in einem Lerncafé ablichten, um deren Chancen und Potenziale zu betonen: ›Egal, woher sie kommen.‹
Tags darauf traf sie den Krone-Kolumnisten Christoph Schönborn. Der Kardinal lobte das ›gute religiöse Klima in Österreich‹, sie den ›wichtigen Beitrag der römisch-katholischen Kirche für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.‹
Zwischen den beiden Treffen ermordete ein Mann im deutschen Hanau aus rassistischen Motiven elf Menschen mit Migrationshintergrund. Die Beklemmung über das fremdenfeindliche Klima war weit über die Grenzen Deutschlands hinaus zu spüren. In diesem neuralgischen Moment fand Raab keine Worte zu den Chancen der Integration und keine zum gesellschaftlichen Zusammenhalt. Stattdessen teilte sie auf Twitter einen Krone-Artikel mit den Worten: ›Als Integrationsministerin ist für mich klar: Unser Ziel muss sein, dass Flüchtlinge dorthin gehen, wo sie eine Arbeit finden und nicht dort [sic], wo die Sozialhilfe am höchsten ist.‹
Der Krone-Bericht handelte von einer Studie über die Situation von Asylwerbern in Österreich. Ein Ergebnis: Sie ziehen vom Land in die Städte, wo die Sozialhilfe höher ist. Ein anderes: Sie verlassen vor allem jene Orte, wo es unzureichende Integrationsangebote gibt. Letzteres weiß die Integrationsministerin selbstverständlich, es ist die Konsequenz der Politik ihrer Vorgänger. Raab hätte also sagen können: Wir müssen die Angebote drastisch erhöhen! Stattdessen likten ÖVP-Regierungsmitglieder den Tweet, die Volkspartei verbreitete ihn weiter. Timing und Spin waren kein Unfall, nicht mal ein Zufall, sie waren Absicht.
Es hat den Anschein, dass die Integration einer Migrantenskepsis in die Mitte der Gesellschaft das ist, was auch Schwarz-Grün unter Integrationspolitik versteht. Strache, schau owa! Kirchenvertreter werden dabei als Weihwasserhalter instrumentalisiert: Wer sich beim auf Wählermaximierung ausgerichteten Migrantenmobbing die Hände schmutzig macht, der wasche sie in Unschuld. Das ist sie also, die Caritas-Koalition. Sie wird nur funktionieren, wenn die Kirchenvertreter und die Grünen auch weiterhin mitspielen.
Ihr Stefan Apfl
stefan.apfl@datum.at