Editorial März 2022

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Illustration:
Blagovesta Bakardjieva
DATUM Ausgabe März 2022

Generation Trotzdem

Wie geht’s den Jugendlichen nach zwei Jahren Pandemie, inmitten neuer Kriegs­sorge in Europa und angesichts der zunehmend spürbaren Auswirkungen der Klimakrise? Was treibt sie an, worauf freuen sie sich, was macht ihnen Angst? So viel wird darüber spekuliert. Wir wollten es von ihnen selbst hören, und so lud DATUM-Redakteur Thomas Winkelmüller für diese Ausgabe fünf Jugendliche zum Gespräch. Natürlich nahmen die Pandemie und ihre Begleiterscheinungen der Jugend in den vergangenen zwei Jahren viele, zum Teil unwiederbringliche Erfahrungen. Zu Recht fühlen sie sich eines Teils ihrer Jugend beraubt. Zwischen Kindheitsende und Erwachsensein liegen ungefähr acht Jahre. Zwei Jahre sind davon ein Viertel – und wir wissen ja alle noch nicht, wie es mit der Pandemie weitergeht. Darf man sich darüber beklagen? Na, selbstverständlich!

Verloren sind diese Jahre deshalb noch lange nicht, und schon gar nicht ist dies eine ›verlorene Generation‹. So vieles haben die Jugendlichen in dieser Zeit gelernt, wenn auch vielleicht manches noch unbewusst. Sie haben erlebt, dass nichts selbstverständlich, nichts wirklich sicher ist und vor allem: dass die Erwachsenen die Dinge bei Weitem nicht so im Griff haben, wie sie vorgeben.

Das sind wichtige Lektionen für die Zeit nach ­Corona. Denn während ihnen die Pandemie ihre ­Gegenwart vermiest, geht es beim Klimaschutz um nichts Geringeres als ihre Zukunft. Die Erhitzung der Erde und sämtliche ökologischen und ökonomischen Verwerfungen, die mit ihr einhergehen, sind in ihrer Unausweichlichkeit absehbar und werden schneller als erwartet Realität. Die Trägheit und die Ignoranz, mit der ihr die Politik begegnet, der mitunter zynische Paternalismus wirken nervenzerfetzend und betäubend zugleich. Es blieb dem Regisseur und Drehbuchautor Adam McKay vorbehalten, diesem Gefühl ein filmisches Denkmal zu setzen. In der Netflix-Produktion ›Don’t look up‹ entdeckt eine Wissenschaftlerin einen Kometen, der ein halbes Jahr später mit der Erde kollidieren und sie von jedem menschlichen Leben befreien wird. Die im Film dargestellte Reaktion der Elite aus Politik, Wirtschaft und Medien auf eine wissenschaftlich erwiesene, bevorstehende Katastrophe ist eine treffsichere Parabel auf unseren Umgang mit den Folgen der Erder­wärmung.

Wie lebt es sich mit dieser Perspektive? Und dieser Ohnmacht? Wie plant man sein Leben, investiert in seine Zukunft, entfaltet seine Träume? Gewiss, jede Generation hat ihre Ängste und Albträume. In den 80ern war es der Atomkrieg, der uns Jugendlichen schlaflose Nächte bereitet hat. Dennoch: Die Klimakrise und ihre Auswirkungen sind kein Szenario, sondern ein Faktum. Wenn wir so weitermachen, werden weite Teile des Planeten schon in wenigen Dekaden nicht mehr bewohnbar sein. Wir wissen das seit Jahrzehnten und wurden Meister darin, es zu verdrängen. Das ist ein Privileg, das der Jugend von heute nicht mehr zur Verfügung steht, weil sie ihr Leben lang mit den Folgen zurecht kommen wird müssen. Sie hat im Wesentlichen zwei Möglichkeiten: Alarmieren oder resignieren, und beides tritt in unserer Gesprächsrunde sehr deutlich zu Tage.

Diese Generation hat während der Pandemie, aber auch im Umgang mit der Klimakrise eine weitere schmerzhafte Erfahrung gemacht: Sie war über weite Strecken ganz auf sich gestellt. Das hat viele von ihnen aktiviert, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, für ihre Rechte und ihre Zukunft zu kämpfen. Allem zum Trotz. Es liegt an uns, ihnen das Vertrauen zu geben, dass sie in ­diesem Kampf doch nicht ganz alleine sind. •

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