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„Ein Kostüm ist dann gut, wenn es nicht auffällt“

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Fotografie:
Ursula Röck
DATUM Ausgabe Februar 2025

Name: Erika Navas, 65

Beruf: Kostümbildnerin

Wie viel Zeit verbringen Sie hier in Ihrem Atelier?

Viel zu wenig. Der kreative Teil meiner Arbeit macht nicht einmal 15 Prozent aus. Aber auch nach 40 Jahren liebe ich es noch immer, an der Modellpuppe zu arbeiten.

Wie sind Sie Kostümbildnerin geworden?

Ich habe die Modeschule Herbststraße in Wien besucht und ein Studium an der Angewandten begonnen, das ich aus finanziellen Gründen wieder abbrechen musste. Dann war ich fünf Jahre lang als Kostümassistentin in ganz Europa unterwegs. Meinen ersten Job bekam ich, weil ich gut Skifahren konnte. Es wurde jemand gesucht, der in den Bergen bei minus 20 Grad den Schauspielern die Skischuhe wechselt. 

Was sind Ihre ersten Arbeitsschritte, wenn Sie einen Auftrag für einen Film bekommen? 

Ich lese das Drehbuch, schaue mir an, wie viele Rollen es gibt, wie oft sich diese umziehen müssen, und ob es logistische Herausforderungen gibt, wie Transport oder Lagerung der Kostüme. Am wichtigsten ist aber die Budgetfrage: Was habe ich insgesamt und wie viel für jedes einzelne Kostüm zur Verfügung?

Wie hoch ist das Kostüm-Budget für eine durchschnittliche Filmproduktion?

Zu niedrig. Obwohl die Materialkosten steigen, werden die Budgets gekürzt. Pro Rolle stehen meistens rund 350 Euro zur Verfügung. Oft muss ein Kostüm aber in mehrfacher Ausgabe vorhanden sein. Für die Komparserie bleibt wenig bis kein Geld übrig.

Welche Bedeutung hat das Kostüm für die Figuren und die Handlung eines Filmes?

Ein gutes Kostüm kann dem Zuschauer unglaublich viel über die Figur, ihre Psyche und ihren Hintergrund erzählen. Das Kostüm ist dann gut, wenn es gar nicht auffällt.

Spiegelt sich das Sparen bei Kostümen auch in Ihrem Gehalt wider?

Beim Film wird meistens nach Wochengagen bezahlt, ich arbeite aber honorarbasiert. An einer Folge ›Tatort‹ verdiene ich rund 20.000 Euro brutto. Dafür arbeite ich etwa fünf Wochen in der Vorbereitung, fünf Wochen beim Dreh und noch einige Tage in der Nachbereitung. Das sind mindestens zehn 60-Stunden-Wochen. Von diesem Betrag gehen noch Steuern und Versicherungen ab.

Ist das als Kostümbildnerin für die Bühne genauso?

Am Theater und in der Oper gibt es zwar geregelte Arbeitszeiten, die Bezahlung ist aber schlechter. Man kann beim Verdienst gleich mal eine Null hinten wegrechnen. 

Was sind neben den niedrigen Budgets die größten Herausforderungen, vor denen die Branche steht?

Es fehlt an Nachwuchs. Viele geben auf, weil sie ein falsches Bild vom Beruf haben. Man muss vor allem organisieren, delegieren und Budgets kalkulieren können. An Drehtagen ist es ein Knochenjob: schwere Kostüme schleppen, große Autos fahren, lange Arbeitszeiten. Am Set herrscht außerdem ein rauer Umgangston und eine strenge Hierarchie, die nicht ohne Grund Stabliste – wie beim Militär – genannt wird. Dieses Machtgefälle halten viele nicht aus.

Was ist der beste Weg, um den Beruf zu lernen?

Es gibt in Österreich aktuell kein Studium und keine Lehre zur Kostümbildnerin. Das ist ein großes Problem, das wir in ganz Europa – ausgenommen England – haben. Wenn man in die Filmbranche möchte, rate ich dazu, so viel Erfahrung wie möglich zu sammeln. Man fängt als Praktikantin an, übernimmt dann die Aufgabe des Set-Kostüms – diese Person ist das Bindeglied zwischen Set und Kostümbildner – und arbeitet sich später zum Kostümassistenten hoch. Irgendwann klappt es dann mit dem Engagement als Kostümbildner.

Sie sind nun 65 Jahre alt. Wie lange wollen Sie noch weitermachen? 

Aktuell stehen zwei Fernsehproduktionen an, danach schaue ich weiter. •

Zahlen und Daten

Beim Verband Österreichischer Filmausstatter*innen (VÖF) sind aktuell 29 Kostümbildner*innen gemeldet.
Quelle: Verband Österreichischer Filmausstatter*innen VÖF

2023 wurden 49 österreichische Filme weltweit in Kinos gebracht.
Quelle: Österreichisches Filminstitut

An den Bundestheatern, Wiener Privattheatern, Vereinigten Bühnen Wien sowie den Länder- und Stadttheatern gab es in der Spielsaison 2022/23 insgesamt 458 Neuinszenierungen.
Quelle: Statistik Austria

Laut dem Kollektivvertrag für Filmschaffende für das Jahr 2024 liegt die Mindestwochengage für Kostümbildner bei einer 40-Stunden-Woche bei 1.366,30 Euro brutto. Eine Kostümbild-Assistenz verdient mindestens 947,50 Euro und eine Set-Kostüm-Assistenz 646,74 Euro.Quelle: Wirtschaftskammer Österreich

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