Ersatzkaiser auf Reisen

Trauerfeiern gehören zu den Pflichtterminen von Staatsoberhäuptern. Im Wahlkampf schaden sie ihnen aber auch nicht.

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Fotografie:
Van der Bellen©David Parry Media Assignments_PA_picturedesk.com
DATUM Ausgabe Oktober 2022

Beerdigungen sind in sich durchgetaktete Ereignisse. Sie strotzen nur so vor Protokoll und Ritual. Das Begräbnis von Königin Elisabeth II. war diesbezüglich keine Ausnahme, sondern vielmehr das Gegenteil. Die Verstorbene selbst plante vor ihrem Ableben die Abläufe ihrer eigenen Trauerfeier bis ins Detail mit. Ihr Tod versammelte in London nicht nur tausende Soldaten, Touristen und Bürger, die sich von ihrer Königin verabschiedeten, sondern auch Staatsoberhäupter aus aller Welt.

Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen und seine Frau Doris Schmidauer waren – mitten im Kampf um die ­Wiederwahl in die Hofburg – ebenfalls angereist. ›Eine absolute Selbstverständlichkeit, die zum Amt gehört‹, sagt Karin Liebhart, ­Politologin mit Schwerpunkt auf visuelle ­politische Kommunikation an der Universität Wien. Trauerfeiern für verstorbenen Staatsoberhäupter gehören zu den offiziellen Verpflichtungen, die ein Staatsoberhaupt zu erledigen hat.

In die Sozialen Medien des Bundespräsidenten schaffte es von vielen Bildern eines, das ihn bei der Eintragung ins Kondolenzbuch der Königin gemeinsam mit seiner Gattin zeigt. Doris Schmidauer trägt Hut und Perlen, ›die im englischen Königshaus als traditioneller Trauerschmuck gelten‹, sagt die Politologin Liebhart. Dass Schmidauer neben Van der Bellen steht, während dieser sitzt, ergebe sich aus den Konventionen des Rituals.

Ein Staatsbegräbnis verdeutlicht als Ganzes ebenfalls die Zugehörigkeit zur Staatengemeinschaft. Darum ist es interessant zu sehen, wer nicht anwesend war. Wladimir Putin zum Beispiel, der seit seinem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine Persona non grata ist. Österreich hingegen ist klar Teil der Staatengemeinschaft, wenn auch nicht in erster Reihe.

So lässt sich zumindest ein weiteres Foto von selbigem Tag interpretieren. Das stark überbelichtete Foto zeigt König Karl III. im Gespräch mit Frank-Walter Steinmeier, dem deutschen Bundespräsidenten – dahinter im Schatten etwas verloren die österreichischen Repräsentanten. Dieses Bild hat es allerdings nicht auf die Social-Media-Kanäle von Alexander Van der Bellen geschafft hat, sondern in deutsche und österreichische Presseagenturen.

›Was Politiker von sich zeigen, überlassen sie selten bis nie dem Zufall‹, sagt Liebhart. Bei offiziellen Fotografien geht es auch um die Auswahl der geschossenen Bilder. Verbreiten ließ Van der Bellen unter anderem jenes der Eintragung ins Kondolenzbuch. Damit wurde bewusst ein Ausschnitt der Realität inszeniert: ›Auch wenn dieses Bild nicht für Wahlkampfzwecke gemacht wurde, schadet ein staatstragendes Foto dem amtierenden Präsidenten nicht‹, sagt Liebhart. Österreichs Bundespräsidenten hätten die Tradition, ein wenig als ›Ersatzkaiser‹ aufzutreten. Sie seien Symbol für Kontinuität. 

Es ist eine Rolle als Diener Österreichs, der auch Van der Bellen gerecht werden möchte. Repräsentative Fotos von einer Trauerfeier entsprechen in diesem Sinne dem Amt des Bundespräsidenten – und dienen jedem, der dieses Amt auch behalten möchte. •