Irrtümer der … Verpackung

Greife nie zum Plastiksackerl!

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Illustration:
Francesco Ciccolella
DATUM Ausgabe Juni 2018

Wer alles richtig machen will, kommt im Supermarkt schnell an seine Grenzen: Bio oder regional? Thunfisch mit dem Zeichen ›Delfinfreundlich‹ oder nicht? Ananas aus Übersee? Und darf man eigentlich noch raffinierten Zucker essen? Wie gut, dass zumindest bei der Kassa die umweltfreundliche Wahl feststeht: Beherzt greift man zum kompostierbaren Bioplastiksackerl, um die Einkäufe zu verstauen. Die werden ja zu hundert Prozent abgebaut.Glaubt man. Doch die ›guten‹ Sackerlvarianten belasten die Umwelt mehr, als es auf den ersten Blick scheinen mag. Dabei hatten Länder wie Italien oder Österreich in der Debatte um europaweite Verbote von Plastiksackerln kompostierbare Bio-Plastiksackerl als Alternative angepriesen. Angesichts der Meldungen über Plastikteppiche in den Weltmeeren, die die Flächendimensionen ganzer Staaten erreichen, eine gute Sache. Oder nicht? Fest steht, dass Bioplastik nicht kompostiert wird. Es bräuchte dafür zu lange. Und da immer kleine Plastik­fetzen übrig bleiben  und den Humus verunreinigen würden, sortieren die Kompostierwerke die Sackerln im Vorhinein aus und schicken sie weiter zur Müllverbrennung.

Also: von wegen hundertprozentige Abbaubarkeit! Und obendrein sind die Bio-Plastiksackerln in der Müllverbrennung auch am besten aufgehoben. Das belegen zumindest diverse Studien: Die energetische Verwertung schneidet nämlich in der Umweltwirkung besser ab als die Kompostierung, bei der ebenfalls CO2-Ausstoß entsteht.

Ungeachtet der Verbrennung oder Kompostierung werden die meisten Umweltschäden aber bei der Produktion verursacht. Im Falle des Bio-Plastiksackerls heißt das: Maisanbau. Die Düngerproduktion verbraucht viel Energie und unter dem Anbau in Monokulturen leiden Böden und das Klima. Aufgrund von Überdüngung gelangen beispielsweise zu viele Nährstoffe in Flüsse und Seen. Darüber hinaus konkurriert der Maisanbau jetzt schon mit dem Anbau von Lebensmitteln und Tierfutter.

Dann also das Papier als ökologische Alternative. Papier wird aus Holz gewonnen und Holz wächst wieder nach. Ja. Aber: Die Herstellung von Papiersackerln ist besonders energieintensiv. Was den Ressourcen- und Energieverbrauch angeht, schneidet es sogar schlechter ab als eine normale Plastiktasche aus dem Kunststoff Polyäthylen. Zum einen muss das Papiersackerl dickwandiger sein, um nicht zu zerreißen, wofür mehr Material eingesetzt werden muss. Zum anderen werden zur Erhöhung der Reißfestigkeit Chemikalien wie Natronlauge, Sulfite und Sulfate herangezogen, die besonders negative Umwelt­auswirkungen haben.

Bleibt also als letzter Ausweg die Stofftasche? Jein. Denn auch bei der Herstellung von Baumwolltaschen werden zahlreiche Emissionen ausgestoßen und viel Energie in Form von Wasser benötigt. Dieses ist insbesondere in den Regionen, wo Baumwolle wächst, meist knapp. Außerdem werden beim Baumwollanbau Pestizide, Herbizide und Düngemittel benötigt, was die Umweltbilanz verschlechtert. Erst ab der zwanzigsten Verwendung, so sagen es die meisten Studien, wird diese wieder positiv.

Wer beim Spontaneinkauf im Supermarkt an der Kassa steht, kann im Zweifelsfall guten Gewissens zum normalen Plastiksackerl greifen. Unter einer Prämisse: Dass man das Plastiksackerl nicht sofort wegschmeißt, sondern mehrfach verwendet. Plastik benötigt nämlich hunderte Jahre zur Zersetzung und landet über unterschiedliche Verbreitungswege in der Zwischenzeit meist eben im Meer, wo es die Fische, Meerestiere und Korallenriffe gefährdet.

Wer das Geschäft gezielt ansteuert, kann dem Sackerlwahnsinn ohnehin entgehen und einen Einkaufskorb mitnehmen. Der hält ein ganzes Leben lang.        •