Lasst die Finger davon, wenn . . .
Brief an die Jungen im Jammertal der österreichischen Medienlandschaft.
Hoffentlich gehören Sie nicht zu jenen Jungen, die sich vor einiger Zeit entschieden haben, in Ihrem Leben ›irgendetwas mit Medien‹ anfangen zu wollen. Hoffentlich war damit nicht Journalismus gemeint. Wenn doch, wären Sie für die Krise der Branche, wie sie sich zur Zeit darstellt, schlecht gerüstet. Denn ›irgendetwas‹ reicht nicht aus. Dafür ist die Verantwortung zu groß – im Morast des Boulevards wie am Parkett der Qualitätsmedien. Und irgendwann wird diese Verantwortung schlagend. Unweigerlich.
Daher bitte ich Sie, jedenfalls ein paar Punkte zu bedenken.
Viel Aufregung gab es in letzter Zeit über die Nähe von Journalisten zu Politikern. Sie lässt sich in einem Land wie Österreich kaum vermeiden. Irgendwann kennt jeder jemanden, mit dem er in der Schule, im Sandkasten, in der Universität war. Diese Nähe beruflich auszunützen – journalistisch oder politisch – ist verlockend. Sie müssen wissen, dass Journalismus wie Politik Bereiche der ›Verführung‹ sind. Die einen verführen mit Informationen, die anderen mit Berichten. Beides ist erlaubt, solange es um die ›beste verfügbare Version der Wahrheit‹ (© Watergate-Aufdecker Carl Bernstein) geht.
Sie müssen sich nur bewusst sein, wie die Verführung anständig zu handhaben ist. Die frühere Besitzerin der Washington Post, Katharine Graham, berichtet in ihren Memoiren von ihrer engen Freundschaft mit den US-Präsidenten Jack Kennedy und Lyndon B. Johnson in den 60er-Jahren. Weder profitierte die Zeitung von dieser Nähe, noch beeinflusste diese die Berichterstattung. Die Journalisten pflegten also zu den Regierungen jene ›kritische Distanz‹, die jetzt in Österreich allerorts gefordert wird – auch plötzlich von Journalisten, die sie in der Vergangenheit vermissen haben lassen, als sie von Politikern bezahlte Aufträge angenommen haben, ihre Verbindung nützten, um den eigenen Namen aus unangenehmer Berichterstattung herauszuhalten, oder sich mit Jobs versorgen haben lassen. Aber Grahams Beispiel zeigt, wie Bekanntschaften/Freundschaften auch korrekt zu handhaben sind. Es kann funktionieren, wenn sich keine Seite von der anderen einen Vorteil erwartet. Darauf müssen Sie achten.
Das beginnt gleich zu Anfang – unabhängig davon, wer Ihre Gesprächspartner/Informanten sind. Es ist üblich geworden, Journalisten schon bei der ersten Begegnung das Du-Wort anzubieten. Das sollte höflich abgelehnt werden. Heute gilt vieles als ›üblich‹, was den Anstand missachtet.
Wenn Sie am Anfang einer Karriere im Journalismus sind, sollten Sie nicht der Versuchung erliegen, Freundlichkeit persönlich zu nehmen. Sie gilt dem Medium, für das Sie arbeiten, nicht Ihrer Person. Desgleichen sollten Sie auch Kritik nicht persönlich nehmen. Sollte sie nicht mit Fakten zu rechtfertigen sein, gilt sie Ihrer Kontrolle, Ihrer Hartnäckigkeit, Ihrer ›besten Version der Wahrheit‹ eben. All dies aber ist Ihre eigentliche Aufgabe.
Im Grunde ist alles sehr simpel: Gewisse Dinge ›machen Sie einfach nicht‹. Schon gar nicht, wenn Sie andere dafür zur Verantwortung ziehen. In diesem Sinn, viel Freude an ›irgendwas‹ mit Medien. •