Der Migrationsexperte Gerald Knaus über die Talente des ungarischen Ministerpräsidenten, die nie geschlossene Balkanroute und die Robustheit des österreichischen Rechtsstaates.
Im vergangenen Monat war – vor allem seitens der ÖVP – wieder viel von einer Asylkrise die Rede. Provisorische Zeltstädte, eine Diskussion über die Europäische Menschenrechtskonvention, eine Vetodrohung gegen einen Schengen-Beitritt von Kroatien, Bulgarien und Rumänien sowie eine neue Allianz zwischen Viktor Orbán und Karl Nehammer bestimmten die Nachrichtenlage. Wie erleben Sie die Diskussion in Österreich?
Gerald Knaus: Wir führen zu viele Scheindebatten, die nicht dazu führen, konkrete Probleme zu lösen. Dabei ist es Viktor Orbán gelungen, auch Karl Nehammer in seine anti-europäische Strategie einzubinden. Doch die Interessen Österreichs in der Asylfrage sind jenen Orbáns diametral entgegengesetzt. Österreich ist ein Rechtsstaat, wo Asylantragsteller im Einklang mit gültigem Recht behandelt werden. Orbán hat vor den Augen der Welt gültiges EU-Recht ausgehebelt und ignoriert entsprechende Gerichtsurteile des Europäischen Gerichtshofs. Die Folge: Niemand stellt dort einen Asylantrag. Österreich wird dieses Jahr wohl 100.000 Asylanträge verzeichnen, Ungarn vielleicht 50. Und Ungarn, nicht Österreich, hat die Kontrolle über die Schengenaußengrenze. In dieser Situation Österreich dazu zu bringen, mit Orbán gemeinsam die EU für das, was an den ungarischen Grenzen passiert, anzugreifen, ist ein Meisterstück der Manipulation, das am Ende nur der FPÖ nützen kann. Das ist ihr Narrativ, das da bedient wird, und wird irreguläre Migration nicht reduzieren. Es ist Orbáns politisches Talent, dass er immer wieder Verbündete gewinnt, nur um diese später zu verraten. So verfuhr er bereits mit den Europäischen Liberalen und mit Christdemokraten wie Manfred Weber.
Haben Sie eine Erklärung für die Taktik der österreichischen Regierung?
Knaus: Der Diskurs ist immer noch von der Idee des Sebastian Kurz geprägt, dass die Lösung in der Schließung der sogenannten ›Balkanroute‹ liegen würde. Auch das war ursprünglich eine Idee Orbáns vom November 2015. Doch diese Route zu schließen – unter Anführungszeichen, denn geschlossen war sie seit 2016 nie – führt zwangsläufig zu Gewalt an den Grenzen, mit illegalen Pushbacks – also zu Rechtlosigkeit gegenüber Männern, Frauen und Kindern. Hunderttausende Asylsuchende kamen auch seit 2016 über den Balkan nach Mitteleuropa. Damit hat Orbán allerdings kein Problem, denn in Ungarn bleibt niemand. Und das Asylrecht will er ohnehin abschaffen.
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