An der Grenze
Das Landesgericht Eisenstadt ertrinkt in Schlepper-Prozessen. Wer sind die Menschen, die hier auf der Anklagebank sitzen? Und wieso ist es so schwierig, ihre Hintermänner zu fangen?
Diese Geschichte gibt es auch als Audio-Angebot, eingelesen von Sebastian Loudon. https://datum.at/audio/folge-4-an-der-grenze/
Vor Saal 7 des Eisenstädter Landesgerichts stehen fünf Menschen im Kreis und nicken. Die vier Angehörigen eines wegen Schlepperei angeklagten Geschwisterpaars und deren Verteidiger diskutieren kurz vor Prozessbeginn Burgenlands Grenzschutz. Jeden Tag würden hunderte Fremde illegal kommen, viele mit Hilfe von Schleppern. ›Die Österreicher müssen dafür zahlen‹, sagt der Anwalt, ›und das versteht echt keiner mehr.‹
Die um ihn versammelten Angehörigen wiederholen zustimmend Wortfetzen seiner Aussagen, während er spricht. Der Verteidiger hofft, dass die beiden Schöffen nicht zu nah an der Grenze wohnen, ›denn die Leute hier haben Angst‹. Dann unterbricht eine Sprechanlage seinen Monolog. ›Saal 7 bitte eintreten‹, hallt eine Frauenstimme durch den Gang. Die Verhandlung, die hier gleich beginnt, ist kein Einzelfall. Vielmehr steht sie stellvertretend für die zunehmende Überlastung des burgenländischen Justizapparats.
Denn das Schmuggeln von Menschen bestimmt den Alltag in Eisenstadts Gerichten. Im Vergleich zum gesamten Vorjahr hat sich die Zahl der Schlepper-Fälle bereits diesen Oktober verdoppelt. Zwei der vier Prozesse an diesem Novembertag verhandeln Schlepperei. Im Monatsschnitt sind es knapp die Hälfte aller Fälle. Auch die Justizanstalt Eisenstadt ist seit einem halben Jahr durchgehend überlastet. Statt der vorgesehenen 175 Insassen zählt die Einrichtung mehr als 200 – wobei drei Viertel davon wegen des Verdachts der Schlepperei in Untersuchungshaft sitzen. Ganz gleich, wen man hier fragt, den Portier oder den Vize-Direktor des Landesgerichts, die Antwort ist immer dieselbe: Das System stößt an seine Grenzen.
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