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Liebesgrüße aus Kasachstan

Jahrelang lief über eine Wiener PR-Agentur im Internet eine Negativkampagne gegen den in Österreich wegen Mordes angeklagten kasachischen Ex-Botschafter Rakhat Aliyev. Auftraggeber war die Rechtsanwaltskanzlei der Witwen seiner mutmaßlichen Opfer. Dort spricht man von objektiver Information.

DATUM Ausgabe Dezember 2014

»( ) Die Causa Aliyev: Dabei handelt es sich um einen einflussreichen, reichen Mann. Er war der Ex-Schwiegersohn des kasachischen Präsidenten und der kasachische Botschafter in Österreich. Seine Verbrechen: Entführung, Folter und Ermordung zweier Männer, Korruption, Geldwäsche. ( )« laali, 28. August 2012, politikboard.org

»( ) Wieso hat man eigentlich nichts früher gegen den Aliyev unternommen? Der hat so viele Menschen gefoltert bzw. umgebracht und ist immer noch auf freiem Fuß. Da kriegt man als normaler Bürger Angst, dass man dem auf der Straße begegnet.« KatiaK, 5. September 2011, krone.at

»( ) Besonders arg finde ich es dann, wenn auf Kosten der Steuerzahler Verbrecher UND Mörder wie der kasachische ex-Botschafter Alijew von diesem Korruptionssumpf profitieren ( )« Almica, 12. Oktober 2012, kleinezeitung.at

Rakhat Aliyev ist ein Mörder. Rakhat Aliyev ist ein Korruptionist. Rakhat Aliyev ist schuldig und gehört verurteilt. Das ist die Kernbotschaft dieser drei Postings sowie tausender weiterer, die zwischen 2011 und 2013 auf Deutsch und Russisch in Internetforen veröffentlicht wurden. Sie alle waren eine Auftragsarbeit, ausgeführt in Wien. DATUM vorliegende Unterlagen – Verträge, Konzepte, Postings, Gesprächsprotokolle -belegen eine jahrelange, hochprofessionelle und kostspielige Negativkampagne gegen Rakhat Aliyev. Eine Negativkampagne, die enormes Sprengpotenzial birgt: Nicht nur könnte sie für die Verantwortlichen disziplinäre Konsequenzen haben -sie könnte auch für eine Wende in den laufenden Verfahren im Fall Aliyev sorgen.

Der Fall Aliyev. Längst hat er sich von Kasachstan aus zu einem internationalen Drama Shakespeare’scher Prägung entwickelt: Es geht um Mord und Geld, um Familie und Intrige, Macht und Verrat. Rakhat Aliyev, einst Schwiegersohn und Thronfolger des kasachischen Autokraten Nursultan Nazarbayev, soll nicht nur zwei Manager der kasachischen Nurbank ermordet haben. Er soll sie verschleppt und gefoltert, soll überdies Geld gewaschen und Amtsträger bestochen haben. Anfang 2015 wird dem Ex-Botschafter Kasachstans in Wien deshalb in Österreich der Prozess gemacht. Für Aliyev, der behauptet, er werde in Kasachstan politisch verfolgt und die Verbrechen seien ihm bloß in die Schuhe geschoben worden, gilt die Unschuldsvermutung.

Hinter den Kulissen pokern Anwälte und PR-Leute, Geheimdienste und Politiker, Journalisten und NGOs um das, was man in Büchern, Filmen und Gerichtssälen Wahrheit nennt. Zwei Männer entscheiden über den jeweils nächsten Zug, zwei prominente Wiener Rechtsanwälte: Manfred Ainedter aufseiten von Aliyev und Gabriel Lansky aufseiten seiner mutmaßlichen Opfer. Während Ainedter von einer »Rufmordkampagne« spricht, einem »einmaligen Fall in der heimischen Justizgeschichte«, sagt Lansky: »Es handelt sich dabei um keine Negativkampagne, sondern um das Kommunizieren von Tatsachen.«

Die Anwaltskanzlei Lansky, Ganzger und Partner war auch der Auftraggeber der Kampagne gegen Rakhat Aliyev. Eingefädelt und betreut hat sie in deren Namen Herbert Langsner, einst News-Chefredakteur, heute PR-Berater. Durchgeführt hat sie die Wiener PR-Agentur Modern Mind Marketing alias Mhoch3. Und bezahlt haben, so Lansky, die Mandanten der Kanzlei, also die Opfervertreter in dem Fall. Ihren Ausgang nahm die Kampagne im Sommer 2011.

Am 9. August dieses Jahres treffen zwei Anwälte der Kanzlei Lansky Martin Kirchbaumer, Geschäftsführer von Mhoch3, sowie vier seiner Mitarbeiter. Kurz zuvor haben österreichische Behörden Ermittlungen gegen Rakhat Aliyev wegen Mord-und Geldwäschevorwürfen eingeleitet. Aliyev selbst lebt damals auf Malta.

Gabriel Lansky, Menschenrechtsanwalt und Präsident der Österreichisch-Kasachischen Gesellschaft, vertritt zu diesem Zeitpunkt Tagdyr (»Schicksal«), einen in Kasachstan registrierten Opferverein, seit zwei Jahren. Offiziell stehen dahinter Armangul Kapasheva und Sholpan Khasenova, die Witwen der kasachischen Banker Zholdas Timraliev und Aybar Khasenov, die Aliyev ermordet haben soll. Österreichs Justiz sieht den Opferverein jedoch »als Tarnorganisation des kasachischen Geheimdienstes«, wie es das Oberlandesgericht Wien jüngst formulierte.

Die PR-Agentur Mhoch3 wiederum führt zum Zeitpunkt des Treffens im Sommer 2011 unter anderem Kampagnen für den Staatskonzern ÖBB, das Pharmaunternehmen Bayer Austria und den Reiseveranstalter TUI Österreich durch (DATUM 11/14 berichtete). Sie ist darauf spezialisiert, im Internet Meinung zu manipulieren, indem sie Mitarbeiter als anonyme Poster in die Kommentarforen schickt.

»Der Verein Tagdyr besteht darauf, dass diese beiden Morde als Verbrechen eingestuft werden und Aliyev ausgeliefert wird, um vor Gericht gebracht zu werden.« So heißt es in dem Protokoll, das Mhoch3 von dem Treffen am 9. August 2011 angefertigt hat und das DATUM vorliegt. Die »Grundmessage: Wie können innerhalb der EU Verbrecher herumlaufen, nur weil sie aus einem Land kommen, wohin nicht ausgeliefert wird.«

Man wird sich offenbar schnell handelseins, den Vertrag vom 19. August 2011 schließt Mhoch3 mit der »Firma: LANSKY, GANZGER & PartnerRechtsanwälte GmbH«. Das Leistungspaket für den Jahresvertrag beinhaltet neben »facebook Betreuung«,»twitter Betreuung« und »Blogmarketing« auch »Online-PR« – jeweils in deutscher und russischer Sprache. Start: 1. September 2011. Kosten pro Monat: 10.000 Euro.

Online-PR, so nennt die Agentur Mhoch3 es, wenn sie Mitarbeiter mithilfe von Fake-Accounts ins Netz schickt, um dort im Sinne der Kunden zu posten, ohne ihr ökonomisches Interesse offenzulegen. Das Posten im Rahmen der rufschädigenden Kampagne gegen Aliyev wird in dem Vertrag folgendermaßen umschrieben: »Tägliches Verfassen und professionelles Verbreiten der Informationen in allen relevanten Kommunikationskanälen (zu verschiedenen Tag-und Nachtzeiten)«; »Entgegenwirken von Gerüchten oder negativen Aussagen durch Richtigstellung bzw. Hervorheben der positiven Inhalte«;»Monatlicher ausführlicher Report der Aktionen und Reaktionen inkl. generierter Postings der Redakteure«. Redakteure – so wiederum bezeichnet die Agentur ihre Kampfposter.

Deren Beiträge lesen sich auch folgendermaßen:

»( ) Ich mein, Österreich hat schon genug eigene Verbrecher, da braucht es nicht auch die von außerhalb, weder arabische noch russische.« Zahira, 2. September 2011, szene1.at

»( ) Ich glaube auch, dass da von Aliyevs Seite Geld an die richtigen Stellen geflossen ist und deswegen unsere Rechtsmaschinerie so stockt. ( )« Zahira, 8. September 2011, szene1.at

»( ) Wenn Österreich sich dem nicht widersetzt wird es tatsächlich zu einem sicheren Versteck für allerhand kriminell-reiches Gesindel.« Sabrina M., 14. September 2011, tagdyr.net

»Genau, ich will auch nicht, dass Österreich Zufluchtsort für Leute wird, die daheim schon verurteilt sind und die dann hier bleiben und sich der Strafe entziehen. Wo kommen wir denn da hin? Österreich ist doch kein Asylland für von der Gerechtigkeit verfolgte Menschen.« Katharina Singer, 6. Oktober 2011, facebook.com

»( ) Die Reichen und Mächtigen kommen doch immer davon, egal wie korrupt sie sind. Bestes Beispiel unser KHG, oder Aliyev.« TanteEditz, 8. Jänner 2012, vienna.at

»( ) Wieso regiert Geld so stark die Welt, dass man als Millionär alles tun kann, worauf man Lust hat, sei es korrupt sein oder Menschen töten…was ist aus unserer Welt geworden????« KatjaK, 13. Jänner 2012, epo.de

»Wenn es mehrere solche Vereine wie tagdyr gäbe und weniger Verbrecher wie der letzte Zeit bekannte Aliyev, dann wäre die Welt viel viel besser ( )« Magdula, 11. September 2012, mona-net.at

Unterzeichnet ist der Vertrag von jener Person, die darin auch als »Ansprechpartner« seitens der Anwaltskanzlei angeführt wird: Herbert Langsner. Er hat laut eigenen Angaben die Agentur ausgesucht, gebrieft und während der Kampagne betreut. Unaufgeregtes, elegantes Auftreten, Langsner hat eine steile Karriere in den Medien hinter sich, war Chefredakteur von News, Herausgeber von Format. 2007 wechselte er als Sprecher zu Meinl, seit 2009 ist er selbstständiger PR-Berater, seine Spezialität: »Litigation-PR«. So nennt man in der Fachwelt, was Profis wie Langsner bei Prozessen im Graubereich zwischen Justiz, Politik und Medien tun -es ist nichts anderes als Stimmungsmache rund um Justizprozesse.

Die hochprofitable Litigation-PR basiert auf bestimmten Annahmen: Niemand und nichts ist objektiv, keine Sicht der Dinge ist wahr, keine Wahrheit endgültig. Jeder Funktionsträger ist auch ein Meinungsträger, jeder Akteur auch Mensch: der Journalist und seine Leser, Hörer, Seher, vor allem aber der Richter und die Geschworenen. So auch im Fall des Rakhat Aliyev. »Auf Gerichtsverfahren kann die öffentliche Meinung -bedauerlicherweise -Einfluss haben«, sagt Langsner zu DATUM.

Er besticht nicht mit Geld. Er besticht mit seiner Version der Geschichte und seiner Interpretation der Fakten, mit exklusiven Dokumenten und neuen Hintergrundinfos, mit Lob und Kritik, wahlweise geflüstert oder öffentlich ausgebreitet. Offensichtlich gehört zu seiner PR-Arbeit auch Negative Campaigning. »In der fraglichen Kampagne wurde Herr Aliyev nicht diskreditiert, sondern die objektiven Verdachtsmomente, die auch die Staatsanwaltschaft Wien festgestellt hat, kommuniziert«, sagt Langsner. Im Fall Aliyev sei es nun einmal notwendig, das falsche Bild vom verfolgten Oppositionellen, das dieser mit vielen Millionen Euro in die Welt gesetzt habe, zu korrigieren. »Wenn man die Dinge beim Namen nennt, ist das nicht immer schön, aber notwendig«, sagt Langsner.

In den ersten Monaten der Kampagne, so heißt es in dem agenturinternen Dokument »Strategische Planung«, liegt das Augenmerk darauf, »Awareness für den Fall Aliyev und den Verein Tagdyr aufzubauen«. Und weiter: »Da bis jetzt in erster Linie oberflächliche Informationen zum Fall Aliyev thematisiert wurden, schlagen wir vor, im nächsten Schritt insbesondere auf die einzelnen Verbrechen von Aliyev hinzuweisen.«

Von Beginn der Geschäftsbeziehung an finden regelmäßig Treffen statt, an denen Mitarbeiter der Agentur Mhoch3, Anwälte der Kanzlei Lansky, Ganzger und Partner sowie der PR-Berater Langsner teilnehmen. Die negativen Postings sind nur ein Teil der gesamten Kampagne gegen Rakhat Aliyev. Die Mitarbeiter von Mhoch3 verwalteten auch den Blog tagdyr.net sowie dessen Auftritt auf Facebook und Twitter.

Die Anwälte stellen der PR-Agentur nicht nur Schriftstücke aus dem Gerichtsakt zur Verfügung, etwa Sachverständigengutachten, Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft, Anlass-und Zwischenberichte. Sie bestimmen offensichtlich auch strategisch und inhaltlich mit: »Wir müssen mit unserer Arbeit dafür sorgen, dass ein mediales Klima geschaffen wird, dass alles auf ein Gerichtsverfahren hinauslaufen muss.« Das liest man im Protokoll vom 21. August 2012 unter »Inhaltliche Infos«. Unter »Blogseite tagdyr.net« heißt es: »Der Blog soll einerseits eine Infoplattform sein für alle Interessierten an dem Fall Aliyev. Andererseits soll er auch eine Opinion-Leader-Funktion einnehmen mit der klaren Botschaft, dass Aliyev ein Krimineller ist und dass ein Gerichtsverfahren mit ihm als Angeklagten unumgänglich ist.« Und: »Es soll der Anschein bestehen, dass Armangul Kapasheva (eine der beiden Witwen, Anm.) die Blogartikel verfasst.«

Knapp ein Jahr nach Beginn der Kampagne scheint die PR-Agentur Mhoch3 vom Erfolg überzeugt zu sein. In einem Zwischenbericht zu den Onlineaktivitäten heißt es: »In den vergangenen Monaten waren die Diskussionen rund um Aliyev entweder positiv -im Sinne des Kunden -oder neutral informativ«;»Die User sind nun aber nicht mehr überrascht, wenn bei Themen wie Korruption oder Geldwäsche der Name Aliyev fällt.«

Damals ist Rakhat Aliyev Gegenstand gleich mehrerer strafrechtlicher Untersuchungen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt zu diesem Zeitpunkt bereits seit längerem wegen Aliyevs finanzieller Beteiligung am Media Quarter Marx in Wien sowie wegen des Verdachts auf Untreue. Zudem erstatten die beiden Opferwitwen im Sommer 2012 Strafanzeige bei der Wirtschafts-und Korruptionsstaatsanwaltschaft. Sie wollen klären lassen, wie Aliyev binnen drei Tagen an einen österreichischen Fremdenpass gelangen konnte.

Zu diesem Zeitpunkt arbeiten jeweils drei deutschund russischsprachige »Redakteure«, deren Namen DATUM bekannt sind, an der Kampagne. Die Kommunikation zwischen Mhoch3 und der Kanzlei Lansky wird »erneuert und ausgebaut«, wie es im Sitzungsprotokoll vom 21. August 2012 heißt: »Es soll nicht mehr alles ausschließlich über Herr Langsner laufen.« Die Kanzlei selbst nimmt die Zügel fester in die Hand. Kurz darauf, in der Besprechung vom 25. Oktober 2012, wird die Gangart verschärft: »Mehr Offensive ist erwünscht: Wir sollen das Bild stärken, dass Aliyev ein Gauner ist und ihn mehr mit den Themen Mord ,Erpressung in Verbindung bringen.« So lautet der erste Punkt unter »1. Inhaltliches« des Protokolls. Neben Herbert Langsner nehmen seitens der Auftraggeber laut Protokoll drei Mitarbeiter der Kanzlei teil, darunter zwei renommierte Anwälte, deren Namen DATUM bekannt sind.

Wie rechtfertigen sie sich für die von ihrer Kanzlei beauftragte Negativkampagne gegen Rakhat Aliyev – und ihr allfälliges Zutun? Auf die Bitte um Stellungnahmen lässt Anwalt Gabriel Lansky im Namen »unseres ganzen Teams« ausrichten: »Weder sehen wir darin etwas standesrechtlich Verwerfliches, noch betrachten wir dies als eine Kampagne .Aliyev verhöhnt die Opfer, und dagegen haben wir uns zu wehren.«

Bloß, welches Mittel ist den Beteiligten dafür recht – ethisch, juristisch? Unter Paragraf 2 der Richtlinien für Rechtsanwälte heißt es: Der Rechtsanwalt »darf nur solche Mittel anwenden, die mit Gesetz, Anstand und Sitte vereinbar sind«. Allerdings sind diese Richtlinien nur disziplinarrechtlich durchsetzbar. »Ein Anwalt muss sich natürlich auch an die gesetzlichen Rahmenbedingungen halten. Zudem darf er keine unangemessene Härte anwenden«, sagt Josef Weixelbaum, stellvertretender Präsident der Rechtsanwaltskammer. Wann Härte noch angemessen sei? Das müsse man sich im Einzelfall ansehen, sagt Weixelbaum. Die Folgen eines allfälligen Disziplinarverfahrens würden jedenfalls von einer Mahnung bis zur Streichung aus der Liste der zugelassenen Rechtsanwälte reichen.

»Die vorliegende Negativkampagne belegt ein sehr exzessives Verständnis des Anwaltsberufs«, sagt der Wiener Rechtsanwalt Thomas Höhne. Strafrechtlich relevant sei sie allerdings wohl nicht. Der von der Kampagne Betroffene könne sich höchstens mit einer Privatklage wegen übler Nachrede oder Beleidigung wehren, sagt der auf Medienrecht spezialisierte Anwalt.

Womöglich könnte die aufgedeckte Kampagne gar die Verfahren gegen Aliyev beeinflussen. Das jedenfalls meint Manfred Ainedter, der neben Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) auch Rakhat Aliyev vertritt. »Solch eine Rufmordkampagne ist ein absolut einmaliger Skandal in der österreichischen Justizgeschichte«, sagt Ainedter. Seiner Ansicht nach ist die Kampagne das letzte fehlende Glied einer Beweiskette, die belege, dass die kasachischen Machthaber seinen Mandanten politisch verfolgen. Eben das halte die zuständige Wiener Staatsanwältin Bettina Wallner für eine »unglaubwürdige Schutzbehauptung«. Und eben das ist im Verfahren mitentscheidend, weil Aliyev -kurz gesagt -behauptet, der gesamte Fall sei eine Rufmordkampagne.

Um zu verstehen, warum Aliyevs Anwalt ausgerechnet die Kampfpostings einer Wiener PR-Agentur für den fehlenden Beleg dafür hält, hilft ein Blick in das Nachrichtenmagazin Profil. Das veröffentlichte unlängst einen nicht unterzeichneten Vertrag zwischen Gabriel Lansky und dem Opferverein Tagdyr aus dem Jahr 2009. »Erreichen eines möglichst günstigen politischen und öffentlichen Klimas, um die für die Zielerreichung notwendige Beeinflussung des Rechtssystems Österreichs ( ) zu gewährleisten«, heißt es darin. Zudem seien Erfolgsprämien für den Fall vereinbart, dass Aliyev in Österreich angeklagt wird und »sich aus dem Vergleich der Reputationsanalysen zu Beginn und Ende des Vertrages ergibt, dass sich das Image von Herrn Aliev in Österreich wesentlich verschlechtert hat«. Laut Profil sollen zwischen 2009 und 2012 mehr als 14,4 Millionen Euro vom Opferverein an die Kanzlei Lansky, Ganzger und Partner geflossen sein. Rechtsanwalt Gabriel Lansky bestreitet, dass der zitierte Vertrag jemals zustande gekommen sei. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung.

»Die Rufmordkampagne ist der Beweis dafür, dass Lansky genau das umgesetzt hat, was in den Verträgen vereinbart wurde«, sagt Aliyevs Anwalt Ainedter, »nämlich die Erreichung eines möglichst günstigen politischen und öffentlichen Klimas und dadurch die Beeinflussung des Rechtsschutzsystems Österreichs.«

Ob die Negativkampagne gegen Rakhat Aliyev ein Erfolg war, lässt sich schwer messen. Fakt ist, er wartet im Gefängnis auf den Beginn des Mordprozesses im Frühjahr 2015 und sein öffentliches Image hat sich seit 2011 nicht gerade verbessert -davon zeugen eben auch die unzähligen negativen Postings von Mhoch3, die nach wie vor im Netz stehen.

Folgt die Staatsanwaltschaft nun Ainedters Argument, dass hinter dem Opferverein Tagdyr der kasachische Geheimdienst und hinter diesem der kasachische Autokrat Nazarbayev steht, würde Anwalt Lansky wohl mehr drohen als ein Disziplinarverfahren -so gesehen wäre die Negativkampagne nämlich nicht nur von einer Wiener Anwaltskanzlei organisiert worden, sondern vom langen Arm Kasachstans. Tatsächlich ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Gabriel Lansky wegen Paragraf 256 Strafgesetzbuch, Unterstützung eines geheimen Nachrichtendienstes zum Nachteil der Republik. Lansky, für den die Unschuldsvermutung gilt, bestreitet diesen Vorwurf.

Zur Kampagne gegen Aliyev sagt Lansky im Gespräch mit DATUM: »Das war keine Negativkampagne, sondern objektive Information. Wir haben mit unserer Meinung über Aliyev nie hinterm Berg gehalten.« Er verweist auf die Ermittlungen in Österreich wegen zweifachen Mordes und Verurteilungen in Kasachstan wegen erpresserischer Entführung und Folter aus dem Jahr 2008. Einen Unterschied zwischen einem Anwalt, der einen Angeklagten als Mörder beschuldigt, und einer Kanzlei, die anonyme Poster losschickt, dasselbe zu tun, sieht Lansky nicht. Dass die Postings anonym verfasst wurden, störe ihn nicht, das sei Teil der Internetkultur, sagt er. Und dass die Poster auf die Unschuldsvermutung pfiffen, dass sie Aliyev nicht als des Mordes dringend verdächtig, sondern als Mörder darstellten?»Das wusste ich nicht«, sagt Lansky, »und das finde ich auch nicht in Ordnung.«

Heute, sagen Lansky und Langsner, bestehen keine Geschäftsbeziehungen mehr zu Modern Mind Marketing. Bis wann genau die Kampagne lief, wollen die beiden nicht sagen. Die PR-Agentur selbst will trotz mehrfacher Anfragen keine Stellungnahme zu dem Fall abgeben. Recherchen von DATUM belegen, was Informanten hinter vorgehaltener Hand behaupten: dass die Zusammenarbeit zumindest bis Herbst 2013 anhielt. Der Großteil jener Facebook-Accounts, die die offiziellen Tagdyr-Postings gelikt oder kommentiert hatten, postete auch zu anderen Kunden von Mhoch3. Nachdem von Mhoch3 gesteuerte Accounts auf der von Mhoch3 gesteuerten Facebook-Seite von Tagdyr im Sinne von Tagdyr gepostet hatten, antwortete der von Mhoch3 gesteuerte offizielle Tagdyr-Account im April 2013: »Wir bedanken uns bei euch für eure offene Meinung.«