„Manche schlafen dabei ein“
Name: Elisa Clara Loidl, 26
Beruf: Zahnärztin
Sie schauen Menschen hauptberuflich in den Mund. Warum?
Ich wollte Medizin studieren, aber nicht mit dem Ableben von Patienten konfrontiert sein. In den meisten Fällen ist das Schlimmste, was ich sagen muss: ›Der Zahn muss raus.‹
Kommen Leute meistens mit geputzten Zähnen?
Unterschiedlich. Natürlich kommt es vor, dass Patienten das Zähneputzen vergessen, aber lustigerweise entschuldigen sie sich sogar dafür. Mir graust nicht mehr und wir haben hier ein Bad zum Zähneputzen.
Was gefällt Ihnen an der Zahnmedizin?
Sie verbindet Wissenschaft und Handwerk, aber primär arbeiten wir mit den Händen. Und wir sind auch ein Stück weit Seelsorger, weil viele Angst haben.
Wie gehen Sie mit dieser Angst um?
Ich habe selbst Angst vorm Zahnarzt, obwohl mein Papa einer war. Mein Freund ist ebenfalls Zahnarzt, und zu ihm gehe ich. Er sagt, ich sei seine größte Angstpatientin. Ich verstehe also gut, wie sich das anfühlt. Ich frage die Leute konkret: Wovor haben Sie Angst? Dann kann ich besser darauf eingehen und erkläre jeden Schritt genau.
Und bei Kindern?
Ich vermeide Wörter wie ›Angst‹ oder ›Schmerz‹. Ich sage lieber: ›Kennst du das, wenn dein Bruder dich zwickt? So fühlt sich das an.‹ Wenn sich das Kind trotzdem nicht behandeln lassen möchte, überweise ich es zu einem Spezialisten, der auch Behandlungen unter Narkose anbietet, um ein langjähriges Zahntrauma zu vermeiden.
Augen zu oder offen?
Augen zu! Ich mag nicht, wenn man mich anstarrt.
Schlafen manche bei der Behandlung ein?
Ja, öfters. Ich lasse sie dann schlafen. Wir haben auch eine Klemme, die den Mund offenhält.
Wie sieht ein typischer Arbeitstag aus?
Unser Behandlungsspektrum umfasst die gesamte Chirurgie, Kieferorthopädie und konservierende Zahnheilkunde. Zu meinen täglichen Arbeiten gehören beispielsweise Füllungen, Wurzelbehandlungen und Zähne ziehen. Ich habe in einem Kassenambulatorium begonnen. Man arbeitet dort gut, hat aber für die einzelnen Behandlungen etwas weniger Zeit als in einer Ordination.
Genügen die Kassenleistungen bei der Zahngesundheit?
Die Kassen zahlen die grundlegende Erhaltung eines Zahnes. Weitergehende Therapien oder ästhetische Behandlungen werden nur zu einem Teil refundiert. Eine Kassenfüllung erfüllt zwar ihren Zweck, kommt aber ästhetisch und funktional oft nicht an eine hochwertige Kunststofffüllung heran.
Wie gut putzen Österreicher ihre Zähne?
Es wird besser. Aber die wenigsten putzen zweimal am Tag.
Woran merken Sie das?
An Verfärbungen, Karies, Zahnstein und am Geruch. Ich erkläre dann nochmal, wie man richtig putzt, und empfehle zusätzlich zum täglichen Putzen der Zähne Mundwasser.
Wie viel verdienen Sie monatlich?
Ich habe keine eigene Ordination, sondern arbeite für eine Zahnärztin mit. Ich nutze über ein Jobsharing ihren Kassenvertrag und bekomme einen gewissen Anteil von dem, was ich mache. Je nachdem, wie vielen Leute ich welche Behandlungen anbiete, verdiene ich zwischen 2.500 und 4.500 Euro.
Was empfehlen Sie jedem Einzelnen für bessere Zähne?
Jeden Abend Zahnseide. Vor dem Putzen eine halbe Stunde nichts essen. Und nicht zu viel Zitronenwasser ohne Strohhalm trinken. Der Strohhalm verhindert, dass die Säure auf die Zähne kommt und den Zahnschmelz angreift. Außerdem sollten Eltern unbedingt nachputzen, bis ihre Kinder Schreibschrift schreiben können. Erst dann ist die Handmotorik präzise genug. •
Zahlen und Daten
Anfang Juni waren in Österreich 5.525 Zahnärztinnen und Zahnärzte bei der Österreichischen Zahnärztekammer (ÖZÄK) gemeldet, 1.701 davon in Wien. Am wenigsten Zahnärzte gibt es im Burgenland: Dort sind derzeit 124 praktizierende Mitglieder registriert.
Zwar ist die Zahl der Zahnärzte seit 1960 stetig gestiegen, doch die Mitgliederstatistik der ÖZÄK zeigt: Knapp 46 Prozent der Zahnärzte werden bis 2034 das Pensionsalter erreichen. Schon jetzt sind rund zehn Prozent der Kassenstellen unbesetzt. Quelle: Österreichische Zahnärztekammer
Auch wenn die Nachfrage groß ist, ist das Angebot für ein Zahnmedizinstudium begrenzt: An der MedUni Wien haben sich dieses Jahr über 750 Personen auf nur 80 Studienplätze beworben. Quelle: MedUni Wien