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Mein Datum : 12. Oktober 2011

Die kanadische Anthropologin Kirsten Bos darüber, wie sie das Erbgut des Pesterregers Yersinia pestis entschlüsselt hat, der ein Drittel der europäischen Bevölkerung dahinraffte.

DATUM Ausgabe Oktober 2021

Im Jahr 2011 wollten meine Kollegen und ich Folgendes herausfinden : Wäre es möglich, die Methoden, die kurz zuvor dafür benutzt worden waren, um das Genom des Neandertalers und des DenisovaMenschen zu rekonstruieren, auf alte Krankheitserreger ­anzuwenden? Wir haben uns schließlich auf die Pest konzentriert, weil es bei dieser Krankheit noch immer viele offene Fragen gab – und die Methoden der Genetik waren hierfür vielversprechend.

Am sogenannten ›Schwarzen Tod‹ (1346–1353) sind sehr viele Menschen gestorben, und 2011 gab es immer noch eine Debatte darüber, ob es überhaupt der Pesterreger Yersinia pestis war, der diese Krankheit verursacht hat. Und wenn er es war, warum hat er dann so viele Menschen in so kurzer Zeit getötet? Alte Krankheitserreger schienen ein spannender Anwendungs­bereich für die neuen Methoden zu sein. Doch das Problem war: Die meisten Forscher glaubten, dass ein solches Projekt einfach nicht durchführbar sei.

Wir haben es trotzdem ­versucht. Und tatsächlich haben wir das Genom des Pesterregers rekonstruiert, und das noch dazu in unglaublich kurzer Zeit! Das trug zu einem großen Paradigmenwechsel in der Paläogenetik bei. Wir haben dann mit dem deutschen Forscher Johannes Krause kooperiert. Ich bin nach Deutschland geflogen – mit meinen Proben im Fluggepäck. In Leipzig war es uns möglich, die Arbeit ab­zuschließen, die für die Entschlüsselung des Genoms nötig war.

Am 12. Oktober 2011 hat die bedeutende Fachzeitschrift Nature unser Paper veröffentlicht. Damals war ich Doktoratsstudentin und das war meine Doktorarbeit. Während der Medienhype über die Veröffentlichung den ganzen Monat gedauert hat, habe ich mich zu Halloween als Pestärztin verkleidet. In vielerlei Hinsicht hat es sich so angefühlt, dass unsere Forschung unter einem guten Stern gestanden ist, dass einfach alles perfekt gepasst hat.

Allerdings war ich als junge Wissenschaftlerin besorgt, dass es sich bei meinem Doktoratsprojekt um ein One-Hit-Wonder handeln könnte, wie man in der Musikindus­trie sagen würde. Wie gut würde man diese Methoden auf andere Krankheiten anwenden können? Oder auch nur auf andere Ausbrüche der Pest? Im Nachhinein gesehen, hat sich diese Sorge ­jedoch komplett in Luft aufgelöst, weil inzwischen viele andere Krankheitserreger auf diese Weise untersucht worden sind. Labors in der ganzen Welt beteiligen sich mittlerweile daran, es ist ein ziemlich attraktives Forschungsfeld entstanden. Und es war wirklich eine Ehre für mich, als erste Wissenschaftlerin zeigen zu können, dass es möglich ist, die DNA alter Krankheitserreger zu entschlüsseln. •

 

Zur Person:
Die Kanadierin Kirsten Bos studierte Biomedizin und Anthropologie. Nach ihrer Doktorarbeit zum Pesterreger hat sie sich auf die Erforschung alter DNA und auf historische Krankheitserreger spezialisiert. Derzeit forscht sie am Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig.

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