Nach vorne, in die Offensive!
Hier ist sie, liebe Leserinnen und Leser, die letzte DATUM-Ausgabe 2024. Was war das für ein Jahr! Bereits im Vorfeld bekam es das Prädikat ›Superwahljahr‹ verliehen. Dreieinhalb Milliarden Menschen wählten heuer Parlament, Regierung oder Staatsoberhaupt. Drei dieser Ereignisse haben die Chefredakteurin Elisalex Henckel und ihr Team mit aufwendigen redaktionellen DATUM-Schwerpunkten begleitet: Die Wahl zum Europäischen Parlament im Juni, die österreichische Nationalratswahl im September und die US-Präsidentschaftswahl im Oktoberheft. Wenn Sie eine dieser Ausgaben von zeitloser Schönheit und Relevanz verpasst haben, gehen Sie auf www.datum.at.
So manche Wahl aus diesem Jahr, wie etwa die Präsidentenwahl in Russland, war eine Farce, deren Ergebnis ohnehin klar war; andere wiederum waren völlig offen, und ihr Ausgang von globaler Tragweite. Die Landtagswahl in der Steiermark zählt vielleicht nicht dazu, sehr wohl aber die Wahl Donald Trumps zum 47. Präsidenten der USA. Ob Cincinnati oder Sinabelkirchen, beide Wahlen haben etwas gemeinsam. Sie reihen sich nahtlos in ein Muster, das quer durchs Superwahljahr sichtbar war und das uns wohl auch in den kommenden Jahren begleiten wird: Immer mehr Menschen sind der liberalen Demokratie müde geworden und wählen Parteien und Personen, die ihr Schaden zufügen wollen. Viele sehnen sich nach Stärke, Stolz und Action. Dabei kann ruhig auch mal was kaputtgehen … Kraftmeierei statt Kompromiss, geiler Neo-Nationalismus statt langweiligem Multilateralismus.
Vor zwei Jahrzehnten noch wurde der Sieg der liberalen Demokratie proklamiert. Davon ist zum Ende des Jahres 2024 wenig zu sehen. Der Populismus ist mit seinen vermeintlich einfachen Antworten so attraktiv wie eh und je. Nein, angesichts multipler Krisen, großer Unsicherheiten und einer fragmentierten Öffentlichkeit, die gezielt mit Desinformation vergiftet wird, ist er vielleicht so attraktiv und erfolgreich wie überhaupt noch nie. Dass er für keine der Herausforderungen eine taugliche Lösung parat hat, spielt überhaupt keine Rolle. Und vieles – fast alles – spielt ihm in die Hände: Die Logik der Sozialen Netzwerke befeuert die Polarisierung der Gesellschaft. Die Vielzahl an unangenehmen Wahrheiten – von Klimakrise bis Wohlstandsverlust – lässt sich nicht mehr leugnen, bestenfalls verdrängen. Für ebendiese Verdrängung wirkt die Retro-Illusionspolitik der Populisten wahre Wunder. Und wäre es nicht wirklich herrlich, wenn sich die Klimakrise allein mit Innovationen aus der fernen Zukunft lösen ließe? Wenn Putin kein Kriegsverbrecher, sondern in Wahrheit unser Freund wäre, der uns Sicherheit und billige Energie auf alle Zeit garantierte? Wenn sich alle Probleme, die durch Zuwanderung und misslungene Integration entstehen, mit einem simplen ›Ausländer raus!‹ aus der Welt schaffen ließen? Nichts davon ist wahr, aber gegen so bequeme Lügen sind unbequeme Wahrheiten so gut wie chancenlos.
Was also tun? Mit dieser Frage konfrontiert, ringen selbst Optimisten um Worte. Auch hier gibt es keine einfachen Antworten. Ernsthafte Politik, ehrliche Kommunikation, sorgfältiger Journalismus, zivilgesellschaftliches und politisches Engagement, egal ob im Kleinen oder Großen, und vor allem: niemals resignieren. So einfach ist das Rezept und zugleich so verdammt schwierig. Die liberale Demokratie, so scheint es am Ende dieses Superwahljahres, steht mit dem Rücken zur Wand. Das ist ein Vorteil: Von dort gibt es nur einen Weg, nämlich nach vorne, in die Offensive. Also dann, vorwärts! 2025 wird besser. •
Im Namen des gesamten DATUM-Teams bedanke ich mich bei Ihnen für Ihre Treue und für Ihr Interesse.
Frohe Weihnachten und alles Gute für das kommende neue Jahr – bleiben Sie uns gewogen.
Ihr Sebastian Loudon
sebastian.loudon@datum.at