Oberst Maulwurf

Ein toter Briefkasten im Wald, geheime Treffen in Hotels und Strela-Satelliten im All: Der spektakuläre Fall des 2018 als Spion enttarnten österreichischen Soldaten M.M. zeigt, wie Russland in Europa geheime Informationen beschafft.

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Illustration:
Aliaa Abou Khaddour
DATUM Ausgabe November 2022

Bevor M.M. verschlüsselte Nachrichten via Satellit sandte, überprüfte er stets den dreistelligen Zugangs-Code. So hatte er es von dem ihm zugewiesenen Kommandeur bei Russlands Militärgeheimdienst GRU gelernt. Damit konnte er leicht vertrauliches Wissen teilen. Wenn russische Strela-3-Militärsatelliten über Österreich flogen, übermittelte M.M. seine Informationen. 

Als Oberst beim österreichischen Bundesheer hatte er Zugang zu diversen NATO-Veranstaltungen. In diesem Rahmen bekam er auch detaillierte Informationen darüber, wie sich das Nordatlantische Bündnis damals vor Anschlägen mit ›Improvised Explosive Devices‹, also selbstgebauten Sprengkörpern, schützte. Wertvolles Wissen, das von der GRU, kurz für Glawnoje Raswedywatelnoje Uprawlenije, also der Hauptverwaltung für Aufklärung, gewürdigt und finanziell entschädigt wurde.

Denn vor allem die Taliban setzten solche Bomben häufig gegen westliche Truppen in Afghanistan ein. Wie die New York Times im Jahr 2020 aufdeckte, zahlte der russische Geheimdienst Geld an die Terrormiliz, um sie zu Angriffen auf westliche Streitkräfte zu motivieren. Wissen über Schwachstellen der NATO ermöglichten den Taliban noch gezieltere Anschläge. Die von M.M. gelieferten Informationen könnten den von Russland unterstützten Terroristen geholfen haben, Sprengfallen optimal vorzubereiten. Die Spionage des österreichischen Überläufers hätte damit womöglich zum Tod von Soldaten einer Organisation geführt, die Österreich als Partner betrachtet.

M.M. hatte Ende der 1980er-Jahre begonnen, geheime Informationen des Bundesheeres und von dessen Verbündeten an die GRU weiterzugeben. Am Ende seiner Karriere diente der Salzburger Soldat als Mitarbeiter der Abteilung für Strukturplanung im Verteidigungsministerium in Wien. Doch auch nachdem er 2013 in den Ruhestand ging, blieb er ein beim russischen Militärgeheimdienst hoch angesehener Agent. Insgesamt soll M. zumindest 25 Jahre lang Staats- und militärische Geheimnisse verraten und dafür mindestens 280.000 Euro kassiert haben.

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