Österreichische Vermächtnisse
Wie die Heidi Horten Collection lästige Erinnerungen abgeschüttelt hat.
Die Beklemmung bleibt aus. Wider Erwarten. Würde man doch meinen, dass sie sich bei einem Besuch im Privatmuseum einer Person, deren Name mit der Enteignung jüdischen Eigentums assoziiert wird, sofort einschleichen würde. Gar nicht, und genau das ist vermutlich das Beklemmendste in der ›Heidi Horten Collection‹, dem Privatmuseum der mittlerweile verstorbenen Milliardärswitwe Heidi Goëss-Horten. Einladend ist dieses neue Museum mitten in Wien. Voller Licht, Platz und Ironie. Mehr als einmal schmunzeln die Besucher, wenn sie etwa vor der lilafarbenen Sau-Skulptur von Lena Henke stehen, beglückt die riesige Dinosaurierdame aus Trompeten und Hörnern von Constantin Luser bestaunen und kichern, wenn sie sich vor einem Fernseher den Tanz von Lily Reynaud-Dewar betrachten, wie sie versucht, nackt eine unbeeindruckte Schafsherde ›als Fuchs‹ aus der Reserve zu locken.
›Das Museum ist mein Vermächtnis an Österreich‹, wird Heidi Goëss-Horten zur Eröffnung Anfang Juni in Zeitungen zitiert. Auch nachfolgende Generationen sollen sich wie sie, Österreichs reichste Frau und einst größte Einzelspenderin der Kurz-ÖVP, an ihrer Kunstsammlung erfreuen.
Gute Laune macht die Heidi Horten Collection. Sie ist leicht, verspielt, fröhlich dekadent. Genau das Richtige in diesen Zeiten. Wäre da nicht die Erinnerung an das Geld, das all das hier mitunter ermöglicht hat. Diese lästige Erinnerung, die in Nebensätzen, Betroffenheitsmimik und Links auf der Museumshomepage in österreichischer Manier abgeschüttelt wird. Goëss-Hortens erster Ehemann, der Kaufhausmagnat Helmut Horten, hat den Grundstein für sein Geschäftsimperium in der NS-Zeit gelegt, als er von der Enteignung von Juden durch die Nazis profitierte. Er habe ›die Lage nicht herbeigeführt, aber für sich genutzt‹, erklärt der von Goëss-Horten beauftragte Historiker Peter Hoeres in den Medien. Sein Gutachten ist auf der Homepage des Museums verlinkt. Demnach soll Helmut Horten zwar ein Nutznießer seiner Zeit gewesen sein, aber den Umständen entsprechend fair: ›Faire Maßstäbe‹, ›faire Konditionen‹, ›fairer Ausgleich‹, so die Ausdrücke im Gutachten.
In einem Interview mit Profil im Jahr 2020 kontert eine Nachfahrin der Opfer diese Beurteilung. Stéphanie Stephan erzählt, wie ›fair‹ ihr Vater Reinhold Stephan als Vorstandsmitglied des Modekonzerns Gebrüder Gerzon den deutschen Kaufhaustycoon erlebte, als dieser versuchte, die niederländische Firma zu kaufen. Wie sehr er die Eigentümer unter Druck gesetzt hatte – und mit welchen Methoden. Aus eidesstattlichen Erklärungen der Opfer gehe hervor, schreibt Profil, dass Horten im Fall der Gebrüder Gerzon gegenüber Vertretern der Bank gedroht habe, die Sicherheit der jüdischen Eigentümer nicht garantieren zu können, wenn sie die Aktien und Optionen nicht hergäben. Mit Gefängnis soll gedroht worden sein. Und mit dem KZ Mauthausen.
Wenige Besucherinnen kennen diesen Hintergrund in all seinen Details. Und wenn doch, wird er im Namen der Kunst beiseitegeschoben, wie einige gestehen. Warum sich die Stimmung verderben, bei einem wundervollen Schmetterlingsschwarm von Damien Hirst? Was kann die Kunst dafür, auf welchem Erbe dieser Reichtum, dieses österreichische ›Vermächtnis‹ fußt?
›Hinter der Horten’schen Spendierfreudigkeit und Kunstsinnigkeit steht ein großes Unrecht, das meinem Vater das Herz gebrochen hat‹, sagte Stéphanie Stephan 2020 im Profil-Interview. Die Journalistin hat die Geschichten ihrer Familie in ihrem aktuellen Buch ›politisch unzuverlässig‹ (Stroux edition) aufgeschrieben. Am 15. Juli erscheint es. Vielleicht findet sich im Museumsshop der Heidi Horten Collection ein Platz dafür. Zu wünschen wäre es. •