Porzellan und Planwirtschaft
Kincső Bede erkundet Identitäten im postsozialistischen Osteuropa.
Eine junge Frau steht in einem Raum mit gemusterter Tapete. Zu ihren Füßen: feine Porzellanfiguren, sorgfältig aufgereiht. Sie trägt nur Socken und Unterwäsche, der BH ist geöffnet. Was auf den ersten Blick wie ein Cover-Shooting anmutet, ist vielmehr Teil der Erkundung eines Generationswechsels und der Versuch einer Selbstverortung.
Kincső Bede (*1995), die Protagonistin und zugleich Autorin des Bildes, wuchs als Teil der ungarischen Minderheit der Székler in Siebenbürgen, Rumänien, auf, einer Region, geprägt von kultureller Vielfalt und einer komplexen Vergangenheit. In ihrer künstlerischen Arbeit setzt sie sich mit ihrer eigenen Familiengeschichte, dem visuellen Erbe der Székler und den Nachwirkungen des Sozialismus auseinander.
Wie können Generationen, deren historische Erfahrungen kaum vergleichbar sind, innerhalb von Familie und Gesellschaft zueinander finden? Und wie wirkt sich das Erbe des Sozialismus noch heute auf das Zusammenleben der Gemeinschaften Osteuropas aus?
Diese Fragen übersetzt Bede in vielschichtige Bildmotive: Geflochtene Haare, folkloristische Kleider und kunstvoll gemusterte Textilien verweisen auf die kulturellen Symbole der Székler. In weiteren Aufnahmen spiegelt sich die sowjetische Planwirtschaft, nämlich in vereinheitlichten Produkten, die in jedem Haushalt aufzufinden waren, wie Möbel, Puppen oder Röhrenfernseher.
Kincső Bedes Fotografien eröffnen somit zwei Perspektiven: einen lupenartigen, suchenden Blick, der ihre eigene Herkunft abtastet, und einen satellitengleichen Blick, der Fragen von Identität im postsozialistischen Osteuropa verhandelt. 2024 ist dazu der Fotoband ›Porcelain and Wool‹ im Budapester Verlag hECTIC bOOKs erschienen. •
Mona Schubert ist Kuratorin der Foto Wien und des Foto Arsenal Wien, Österreichs neuem Zentrum für fotografische Bilder und ›Lens Based Media‹. www.fotoarsenalwien.at