Schlechte Verlierer
Über den Mangel an kompetentem Spitzenpersonal in Österreichs Politik.
Auf die Steiermark ist Verlass. Dieses Bundesland zeigt sich immer offen für Neues – in rühmlichen Zeiten, wie in den Jahren des intellektuellen und kulturellen Aufschwungs unter ÖVP-Landeshauptmann Josef Krainer Jun. (1980-1996), und auch in unrühmlichen Zeiten wie in den 30er-Jahren. Und wieder seit der letzten Landtagswahl Ende November.
Wenn die Steiermark aller Voraussicht nach einen FPÖ-Landeshauptmann bekommt, wird sie nicht das erste Bundesland mit einem solchen sein, ist aber mit Sicherheit das einzige, in dem sich ein Landeshauptmann nach einer schweren Niederlage als ›Bauernopfer der Republik‹ sieht, die Schuld dem Bundespräsidenten und der eigenen Bundespartei zuschiebt. Dass Christopher Drexler von der ÖVP bei einem Verlust von über neun Prozentpunkten und einem zweistelligen prozentuellen Stimmenzuwachs für die FPÖ nicht von sich aus umgehend die Konsequenzen zog, ist das Resultat von steirischer Sturheit, bürgerlicher Realitätsverweigerung und/oder Verzweiflung.
Die wirklichen ›Opfer‹ der steirischen Wahl sind, wenn man so will, der Bundesparteiobmann der ÖVP, Karl Nehammer, und der SPÖ-Vorsitzende Andreas Babler. Ihnen wurde mit einem ›Denkzettel‹ zu viel (© FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker) an diesem Sonntag klar gemacht, dass zwei Hauptverlierer einer Wahl keine willkommene Regierung bilden können. Karl Nehammer wurde signalisiert, dass ›Kanzler‹ ebenso wenig politisches Kapital bedeutet wie ›Landeshauptmann‹ für Drexler. Das Festklammern an zwei Posten ist kein attraktives politisches Programm.
Als erster Schritt in Richtung Erneuerung von ÖVP und SPÖ auf Bundesebene wäre die Entlassung sämtlicher Berater erforderlich, die zu den provokant langsamen Regierungsgesprächen geraten haben. Solche Fehler müssen Konsequenzen haben. Als zweiter Schritt wäre die Erkenntnis in den Parteigremien erforderlich, dass kompetentes, handwerklich versiertes, medientaugliches, volksaffines Personal auf Bundesebene fehlt. Das ist auch eine Frage des Vertrauens und der Glaubwürdigkeit. Die Personalmisere in beiden Parteien mögen manche als Jobgarantie für Nehammer und Babler ansehen, für die Republik ist sie eher eine gefährliche Drohung. Auch das Be- und Verharren Drexlers im Amt kann nur unter diesem Gesichtspunkt gesehen werden.
Sollen die nächsten Monate nicht in einer einzigen parteipolitischen Quälerei ohne Reformdynamik zum Schaden der Republik enden, so muss in SPÖ und ÖVP selbst das Wort ›Machterhalt‹ zum Unwort erklärt werden. Wie lange aber kann es dauern, bis sich in den Zentralen von SPÖ und ÖVP die Erkenntnis durchsetzt, dass es außer um mehr oder weniger korrekte Arbeit auch und vor allem um Stimmung geht? Mit der Sauermiene von heute ist die Zuversicht von morgen nicht zu erreichen.
Nicht jeder Spitzenpolitiker hat Charisma. Manche sind auch ganz ohne erfolgreich – siehe Herbert Kickl in der FPÖ. Denn auch ohne Ausstrahlung können Politiker reüssieren, sofern sie Ideen haben. Nur wer nichts von beidem hat, sollte aufgeben. Wenn nicht jetzt, dann in einiger Zeit. Allein, es fehlen eben die Übernahmekandidaten. •