Speed Dating mit Wählern

Wie man die Zahl der Wahlkampfduelle in Zukunft beschränken könnte.

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Illustration:
Blagovesta Bakardjieva
DATUM Ausgabe Oktober 2024

Vorweg ein sogenannter Spoiler, also quasi ein Geständnis, worauf dieser Text hinauslaufen wird: Ein Fan von unzähligen Konfrontationen der Spitzenkandidaten der Parteien vor einer Wahl in Österreich – welcher auch immer – wird aus mir in diesem Leben nicht mehr. 

Es ist jedoch zur Kenntnis zu nehmen, dass selbst dieses Fernsehformat des ›Jeder mit Jedem und alle mit allen‹, das zusammen mit den anschließenden Analysen sicher zu den billigsten Fernsehzeitfüllern gehört, das Land wieder gespalten hat, so als ginge es um hoch emotionale Zukunftsfragen. Manche konnten von dieser Art des Speed Datings  gar nicht genug bekommen, andere hielten das Werben der Spitzenpolitik um neue oder entfremdete Partner unter den Zusehern (wenigstens für einen Wahlsonntag) für überflüssig. Die gegensätzlichen Positionen wurden auch von Wählern, denen es gar nicht zuzutrauen war, mit Verve und Überzeugung vertreten: Man könne sich jeweils ein genaues Bild der politischen Kontrahenten machen, von ihrem Benehmen, ihrer Frustrationstoleranz, ihrer Aggressivität. Es sei wichtig zu sehen, ob sie einander beflegeln oder seriös argumentieren. Der Einwand, es wurden immer die gleichen Argumente vorgebracht, wurde ignoriert. Es ging wieder mehr um Erscheinung denn um politische Inhalte. Dabei wurde wieder übersehen, dass gerade die Erscheinung vor der Wahl für die Leistung nach der Wahl nicht ausschlaggebend sein kann. Wer vorher mit Aggression reagiert, kann es nachher durchaus milder geben, wenn es um die Teilhabe an der Macht geht. Dafür gab es genügend Beispiele. 

Auch an der Frage, ob die Inflation der TV-Auftritte und die Flut an Politikerworten der demokratischen Verfasstheit Österreichs schadet oder nützt, schieden sich die Geister. Ebenso wird nicht wirklich entschieden, ob sie die Verdrossenheit der Wähler über die Politik und ihre Verantwortlichen fördert oder nicht. 

Jeder Kritik an dem neuerlichen Overkill – es gab ihn schon 2019 – an Debatten plus Analysen 2024 wurde mit dem Hinweis auf die offenbar allein seligmachende Quote und ihrer Addition der einzelnen Sender begegnet. Dem könnte man entgegenhalten: Durch eine Kooperation des ORF und aller privater TV-Sender könnte mehr Aufmerksamkeit generiert und ein Millionen-Publikum mit kompaktem Zeitaufwand erreicht werden. Jedem Sender wird eine Debattenrunde, ob mit ›Elefanten‹, also Spitzenkandidaten, oder nicht, zugeteilt. Journalisten dieses Senders moderieren, und alle anderen übernehmen die Sendung. So könnte man die Wahlkampfduelle auf acht beschränken und das Publikum nicht mit (zuletzt) 63 oder mehr überfordern. Der Werbevorteil solcher Sendungen käme allen Anstalten zugute. Das widerspricht dem Wettbewerbsgedanken der Medien? Für derart kommerzielle Überlegungen ist die politische Information nicht geeignet. Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Hoffnung auf Entgleisungen der Duellanten vor der Kamera die eigentliche Motivation dieses Speed Datings mit den Wählern ist. 

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