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UFO sagt man nicht

Unidentifizierte Luftphänomene und der damit verbundene Glaube an Aliens galten jahrzehntelang als die Verschwörungstheorie schlechthin. Doch nun nimmt sich plötzlich die seriöse Wissenschaft des Themas an.

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Illustration:
Julius Maxim
DATUM Ausgabe Juli/August 2025

Am Morgen des 17. April 2025 tauchte eine Schlagzeile in den Wissenschaftsressorts diverser Medien auf, die weltweite ­Aufmerksamkeit auf sich zog: Ein internationales Forschungsteam hatte mithilfe des James-Webb-Teleskops in der Atmosphäre des Exoplaneten K2-18b Moleküle entdeckt, die nach aktuellem Stand nur durch lebende Organismen produziert werden können. Noch ist die Analyse nicht abgeschlossen, doch einige Fachleute sprechen bereits von einem möglichen Meilenstein auf der Suche nach außerirdischem Leben. Ein Moment, der in Erinnerung bleiben könnte.

Während die Welt den Blick in die Tiefen des Alls richtet, richtet sich auch im bayerischen Würzburg der Blick nach oben, nicht auf ferne Galaxien, sondern direkt über unsere Köpfe. Auf dem Dach der Universität Würzburg befinden sich Sensoren, Kameras und Richtantennen. Ihr Ziel ist nicht das ferne Licht eines Exoplaneten, sondern der eigene Himmel und die Frage, ob es dort oben mehr gibt als das, was sich bisher erklären lässt. Fachleute nennen das: technologiegestützte Anomalieerfassung. Andere würden es vermutlich ›UFO-Forschung‹ nennen. Doch dieser Begriff ist längst ersetzt, durch eine sachlichere Bezeichnung für dasselbe ungeklärte Phänomen.

Was früher als UFO bekannt wurde, heißt heute UAP – Unidentified Anomalous Phenomena. Eine nüchterne, wissenschaftlich offenere Bezeichnung für ein Thema, das lange als unseriös galt. Doch seit einigen Jahren vollzieht sich eine stille Verschiebung: In den USA beschäftigen sich heute Universitäten, Regierungsbehörden und das Militär mit UAPs. Es gibt Anhörungen im Kongress, Fördermittel für Forschungsprojekte und Studien der NASA. Selbst das Weiße Haus hat sich wiederholt dazu geäußert. Was lange als Randerscheinung galt, erlebt heute eine institutionelle Rehabilitation.

Im deutschsprachigen Raum dagegen: Zurückhaltung. Nur wenige wagen sich öffentlich an das Thema heran. Einer von ihnen ist Hakan Kayal, Professor für Raumfahrttechnik an der Universität Würzburg. Seit Jahren forscht er an UAPs. Nicht im Geheimen, nicht aus privatem Interesse, sondern öffentlich und mit dem Rückhalt seiner Universität. Für ihn steht nicht das Spektakuläre im Vordergrund, sondern die Suche nach wissenschaftlich erfassbaren Anomalien. Im Gespräch mit datum sagt Kayal: ›Wir brauchen eine systematische, technologiegestützte Beobachtung. Nur so können wir das Phänomen aus der Spekulation herauslösen.‹

Hakan Kayal, Vorstandsvorsitzender des Interdisziplinären Forschungszentrums für Extraterrestrik (IFEX), sitzt in einem unscheinbaren grauen Bau auf dem Campus der Universität Würzburg.Kayal wirkt konzentriert, sachlich, fast zurückhaltend. Und doch ist da ein Leuchten in seinen Augen, wenn er über seine Arbeit spricht. Seit seiner Jugend treibt ihn die Faszination für den Weltraum an, für die Frage, wie Leben entsteht, ob wir allein im Universum sind und was wir überhaupt unter ›Intelligenz‹ verstehen. ›Die großen Menschheitsfragen haben mich immer schon interessiert‹, sagt Kayal.

Lange stießen diese Fragen in der Naturwissenschaft auf Zurückhaltung – zu vage, zu spekulativ, zu nah am Fantastischen. Doch nun rücken sie plötzlich ins Zentrum wissenschaftlicher Aufmerksamkeit. Ein Thema, das Kayal seit Jahrzehnten beschäftigt, beginnt sich langsam aus der Nische zu lösen.

Das US-Verteidigungsministerium veröffentlichte im November letzten Jahres einen Bericht, der zwischen Mai 2023 und Juni 2024 über 700 UAP-Meldungen dokumentiert. Davon wurden 21 als ›echte Anomalien‹ eingestuft, die sich nicht durch bekannte Phänomene erklären ließen. Diese Anomalien wurden in vielen Fällen von mehreren unabhängigen Quellen gleichzeitig erfasst. Dazu zählen Radar, Infrarotkameras, optische Sensoren, Bordkameras sowie visuelle Beobachtungen von Piloten und Crewmitgliedern.

Die Beobachtungen zeichnen sich dadurch aus, dass sie trotz moderner Technologie nicht durch bekannte Fluggeräte, Wetterphänomene oder sensorische Fehler erklärt werden können. In einigen Fällen wurden dabei extreme Manövrierfähigkeit, plötzliche Richtungswechsel oder ungewöhnlich rasche Beschleunigung der Objekte dokumentiert. Ihre Eigenschaften lagen dabei deutlich außerhalb dessen, was heutige Luftfahrttechnik leisten kann.

Auch die NASA hat sich inzwischen des Themas angenommen. In einem vielbeachteten Statement erklärte die Behörde im September 2023: ›Wir haben keinen Beweis gefunden, dass UAPs einen außerirdischen Ursprung haben – aber wir wissen nicht, was diese UAPs sind.‹ Es ist ein Satz, der jahrzehntelanges Schweigen beendet – und gleichzeitig ­offenbart, wie stark die wissenschaftliche Untersuchung durch den Mangel an zugänglichen Daten eingeschränkt ist.

Denn obwohl das US-Verteidigungsministerium hunderte Sichtungen untersucht, bleiben nahezu alle der zugrundeliegenden Messdaten unter Verschluss. Auswertungen erfolgen zum Schutz der nationalen Sicherheit meist innerhalb militärischer Strukturen, fernab der offenen Wissenschaft. Genau an dieser Stelle setzen unabhängige Forscher wie Professor Hakan Kayal an. Mit seinem Team will er das Phänomen systematisch untersuchen – ohne Abhängigkeit vom Militär oder von politischen Interessen. Sein Ziel: eine offene, transparente und wissenschaftlich reproduzierbare Analyse von UAPs.

Auf dem Dach der Universität Würzburg hat Professor Kayal zu diesem Zweck Sensoren installiert, die Tag und Nacht den Himmel beobachten. Sie sind Teil eines Systems, das nach ungewöhnlichen Flugbewegungen und Phänomenen sucht. Eine zweite Station steht im abgelegenen Tal von Hessdalen in Norwegen. Ein Ort, der seit den 1980er-Jahren regelmäßig durch mysteriöse Lichterscheinungen Schlagzeilen macht. Diese ›Hessdalen Lights‹ wurden über Jahre hinweg von unabhängigen Zeugen, Messinstrumenten und sogar wissenschaftlichen Expeditionen dokumentiert – und gelten heute als eines der am besten untersuchten UAP-Phänomene Europas. 

›Ein drittes System wird im Laufe dieses Sommers an der Zugspitze in Bayern aufgebaut‹, sagt Kayal. Ziel sei es, die Sensorik an verschiedenen geografischen und atmosphärischen Bedingungen zu testen und langfristig ein dezentrales Beobachtungsnetzwerk zu schaffen.

Doch selbst mit modernster Technik bleibt die Forschung eine Herausforderung. ›Wir haben es nicht mit einem klassischen Laborthema zu tun‹, erklärt Kayal. ›Fehlende Vergleichsdaten, Sicherheitsaspekte und Geheimhaltung erschweren es enorm.‹ Was auf den ersten Blick wie ein klarer Lichtpunkt oder ein Flugmanöver aussieht, kann sich in der Analyse als Insekt, Reflexion oder atmosphärisches Phänomen herausstellen. 

Nur ein Bruchteil der Sichtungen bleibt nach wissenschaftlicher Prüfung übrig. Doch genau in diesem Bruchteil sieht Kayal enormes Potential: ›Ich bin überzeugt, dass ein kleiner Teil der Berichte so merkwürdig ist, dass er sich nicht mit bekannten Phänomenen erklären lässt. Und genau darin liegt die Chance, wirklich Neues zu entdecken.‹

Im Gegensatz zu vielen medialen Darstellungen geht es ihm dabei nicht um Spektakel, sondern um Vorbereitung. ›Am schlechtesten wäre es, sich keine Gedanken zu machen und dann völlig überrascht zu werden‹, sagt er. ›Ich denke, das wäre vergleichbar mit Naturkatastrophen: Auch auf seltene Ereignisse sollte man vorbereitet sein.‹ Was wäre, wenn in Kürze plötzlich ein eindeutiger Nachweis außerirdischen Lebens gelingt? Was, wenn UAPs tatsächlich auf Technologien verweisen, die unserem heutigen Verständnis voraus sind? Kayal plädiert für einen offenen, aber rationalen Umgang mit dem Unbekannten. Ohne Alarmismus, aber auch ohne Abwehrreflexe.

Aktuell erlebt Kayals Forschung einen ersten, greifbaren Durchbruch: Sein Team hat die erste Bundesförderung für ein Projekt erhalten, das zum Teil explizit auf die Untersuchung von UAPs ausgerichtet ist. Für ihn ein Meilenstein. ›Dass wir mit einem solchen Thema überhaupt eine Förderung durchbekommen haben – das wäre vor wenigen Jahren noch undenkbar gewesen‹, sagt er. ›Das zeigt, dass sich langsam etwas verändert. Wir sind vielleicht an einem Punkt, an dem die wissenschaftliche Neugier stärker wird als das alte Stigma.‹

Konkret geht es um die Entwicklung eines multispektralen Sensorsystems, das im Rahmen einer geplanten Marsmission zum Einsatz kommen soll. Die zentrale Frage dahinter: Tritt das Phänomen ausschließlich in der Erdatmosphäre auf oder lassen sich ähnliche Anomalien auch auf anderen Himmelskörpern beobachten? ›Wenn wir dort draußen ähnliche Muster entdecken würden, wäre das ein Hinweis darauf, dass wir es nicht bloß mit irdischen Fehlinterpretationen oder Täuschungen zu tun haben‹, erklärt Kayal.

Die Kameraeinheit, an der er arbeitet, soll dabei helfen, Bewegungsmuster, Lichtspektren und andere physikalische Eigenschaften potentiell anomaler Erscheinungen zu erfassen – präzise und systematisch. ›Es geht nicht darum, gleich außerirdisches Leben zu finden‹, sagt er, ›sondern darum, unser Beobachtungsinstrumentarium zu verbessern. Damit wir auf lange Sicht überhaupt in der Lage sind, fundierte Aussagen zu treffen.‹

Für Kayal ist die Förderung nicht nur eine Anerkennung seiner bisherigen Arbeit, sondern ein Signal an die gesamte Forschungslandschaft. Ein Signal, dass es legitim ist, sich mit dem Unerklärten zu beschäftigen, ohne ins Spekulative abzugleiten. Es sei Zeit, sagt er, dass auch im deutschsprachigen Raum ein wissenschaftlicher Umgang mit dem Phänomen möglich werde, jenseits von Tabus. ›Wenn wir immer nur auf das schauen, was wir schon erklären können, dann übersehen wir vielleicht das, was wir noch verstehen lernen müssen‹, sagt Kayal.

In Österreich gibt es derzeit keine vergleichbaren Initiativen – zumindest keine, die sich öffentlich zu ihrem Interesse an UAPs bekennen. Weder die ­Akademie der Wissenschaften noch das österreichische Bundesheer und seine Luftstreitkräfte wollten auf Anfrage von DATUM zum Thema Stellung nehmen. Das könnte auch daran liegen, dass UAPs kürzlich wieder im Kontext gelenkter Verschwörungstheorien in die Schlagzeilen kamen: Laut einem Bericht des Wall Street Journal vom 6. Juni dieses Jahres soll es Beweise dafür geben, dass das US-Militär im Kalten Krieg selbst den Glauben an UFOs schürte, um von eigener Forschung an neuer Militärtechnologie abzulenken.  

Der Forschung von Hakan Kayal tun solche Enthüllungen keinen Abbruch. Schließlich ist es gut möglich, dass es einerseits echte unerklärte Phänomene gibt, während andere fabriziert oder instrumentalisiert werden. Einer wissenschaftlichen Antwort auf die Frage, was die Ursache der UAPs sein könnte, will Kayal jedenfalls nicht vorgreifen: ›Es können teilweise Naturphänomene sein, es können teilweise geheim gehaltene Technologien sein. Aber ich würde auch nicht ausschließen, dass es wirklich einen außerirdischen, intelligenten Ursprung hat.‹

Auch international mehren sich die Stimmen, die einen offenen, wissenschaftlich fundierten Umgang mit dem Thema fordern. Einer der prominentesten Fürsprecher ist der Astrophysiker Avi Loeb. Über zehn Jahre leitete er das Astronomie-Institut der Harvard University. Heute widmet er sich fast ausschließlich der Suche nach außerirdischem Leben. Für ihn ist diese Suche keine esoterische Randnotiz, sondern eine ernsthafte wissenschaftliche Fragestellung, vergleichbar mit der Suche nach dunkler Materie oder Gravitationswellen.

Loeb wurde weltweit bekannt, als er 2017 das interstellare Objekt ›Oumuamua‹ als mögliches Artefakt außerirdischer Technologie deutete – eine These, die unter Fachkollegen kontrovers, aber nicht ohne Resonanz diskutiert wurde. Statt sich von der Skepsis entmutigen zu lassen, gründete Loeb das Galileo Project. Es handelt sich um eine internationale Forschungsinitiative, die UAPs mit wissenschaftlichen Mitteln untersuchen will. Dabei setzt das Projekt auf hochauflösende Teleskope, Multisensor-Systeme und Künstliche Intelligenz zur Auswertung der Daten. Ziel ist es, UAPs eindeutig zu identifizieren und im besten Fall Hinweise auf nichtmenschliche Technologien zu entdecken.

Auch institutionell wächst das Interesse: Die neugegründete Sol Foundation, ein Thinktank der Stanford University, an dem Wissenschaftler, Militäranalysten und ehemalige Regierungsbeamte beteiligt sind, will den Dialog über UAPs zwischen Forschung, Politik und Öffentlichkeit systematisch fördern. Sie sieht in dem Phänomen kein reines Sicherheitsproblem, sondern eine multidisziplinäre Herausforderung für Naturwissenschaften, Technologie und Gesellschaft.

Ein weiteres Signal für diese Entwicklung war die Veröffentlichung der ›Durham Declaration‹ im April 2025 an der University of Durham, einer der führenden Forschungs- und Lehreinrichtungen Großbritanniens. Es handelt sich um ein Positionspapier, das sich für eine offene, wissenschaftlich fundierte und institutionell verankerte Erforschung von UAPs und außerirdischer Intelligenz ausspricht. Die Erklärung fordert, diese Themen als legitime akademische Disziplinen anzuerkennen und betont die Notwendigkeit von interdisziplinärer Zusammenarbeit, methodischer Transparenz und Unabhängigkeit von politischen oder wirtschaftlichen Interessen. Die Deklaration wurde inzwischen von mehreren hundert Personen aus Wissenschaft, Medien und Zivilgesellschaft unterzeichnet und hat auch außerhalb Europas Beachtung gefunden.

Während Sensoren den Himmel beobachten und Radioteleskope auf ferne Welten gerichtet sind, bleibt aber eine Frage offen, die sich nicht durch Daten allein beantworten lässt: Wie reagieren wir, wenn sich das Unbekannte zeigt? Was, wenn UAPs tatsächlich Hinweise auf Technologien oder Intelligenzen enthalten, die über das hinausgehen, was wir derzeit begreifen können? Oder wenn sie doch ›nur‹ irdischen Ursprungs sind, aber Technologien beinhalten, die jahrzehntelang unter Verschluss gehalten wurden? 

Die Auswirkungen wären in beiden Fällen gewaltig – technologisch, politisch, gesellschaftlich. Professor Kayal sagt: ›Wenn da wirklich etwas Wahres dran ist, dann wäre das bedeutender als alles, was wir bisher in der Menschheitsgeschichte gekannt haben.‹ Und: ›Wenn man die positive Seite sieht, könnte es sein, dass es eine Menge Probleme, die wir heute haben – Umwelt, Energie, Mobilität – lösen könnte. Es wäre im wahrsten Sinne des Wortes ein Quantensprung.‹ Solche Entwicklungen müssten öffentlich verhandelt werden. Doch wie offen sind unsere Gesellschaften für das wirklich Neue? Für das, was sich (noch) nicht einordnen lässt?

Im US-Kongress wurde im vergangenen Jahr ein Gesetzesvorschlag zur Offenlegung bisher geheimer UAP-Daten eingebracht. Der Initiator: Chuck Schumer, Mehrheitsführer der Demokraten im Senat. In seinem Entwurf hieß es: ›Das amerikanische Volk hat ein Recht darauf, über Technologien unbekannten Ursprungs, nichtmenschliche Intelligenzen und unerklärliche Phänomene informiert zu werden.‹ Der Gesetzestext wurde im letzten Moment in entscheidenden Passagen abgeschwächt. Doch allein die Formulierung einer solchen Aussage auf höchster politischer Ebene markiert einen historischen Bruch mit der bisherigen Praxis.

In Europa gibt es bislang keine vergleichbaren Debatten. Noch nicht. Doch wenn Sensoren wie jene in Würzburg, Norwegen oder demnächst auf dem Mars Hinweise liefern: Wer entscheidet dann, was aus diesen Daten wird? 

Vielleicht ist die größte Herausforderung nicht das, was wir am Himmel entdecken – sondern, wie wir als Gesellschaft damit umgehen. Hakan Kayal mahnt zur Geduld: ›Man darf nicht auf die Sensation hoffen, dass man morgen schon ein Ergebnis hat. Es wird viele Jahre dauern, bis man der Wahrheit ein bisschen näher kommt.‹ Womöglich ist genau das die zentrale Lehre dieser neuen UAP-Forschung: Es geht nicht darum, schnelle Antworten zu liefern. Es geht darum, einen langen Atem zu entwickeln für Fragen, die größer sind als alles, was wir bisher erklären konnten. •

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