Die nächste Fehlbesetzung.‹ Keine 30 Minuten nach der Ankündigung am 13. April 2021, der Arzt Wolfgang Mückstein werde Nachfolger von Gesundheitsminister Rudolf Anschober, erschien dieses sms am Display. 318 Tage später trat der Neu-Berufene den Beweis an.
Gib dem Mann doch eine Chance, war die erste Reaktion auf das SMS. Zu oft schon hat sich bei einer der zahlreichen Präsentationen von neuem Personal in der Politik in den letzten Jahrzehnten bei professionellen Beobachtern ein diffuses Unbehagen breit gemacht. Zu oft schon ist dabei ein innerer Dialog abgelaufen: ›Das wird sich nicht ausgehen‹, ›Sei nicht so überkritisch‹, ›Gib ihr (ihm) doch eine Chance‹, ›Das kann nicht gut gehen, da fehlt etwas‹. Zu oft war insgeheim der Wunsch da gewesen, der erste und der zweite Eindruck mögen täuschen und jene Recht behalten, die sich von Lichtgestalten und Quereinsteigern viel versprochen haben. Vielleicht überrascht jemand positiv. Mückstein war nicht dieser Jemand. Fast jeder öffentliche Auftritt, ängstliches Robotergehabe inklusive, wirkte wie ein Nachweis der Fehlbesetzung.
Immer wieder war in der Vergangenheit bei personellen Fehlgriffen die Frage nach der Verantwortung für die falsche Wahl aufgeworfen, aber nie beantwortet worden. Von culpa in eligendo war dann und wann die Rede, vom Auswahlverschulden also, juristisch ein Begriff aus dem Schuldrecht. Demnach müssten jene, die ›fahrlässig eine untaugliche Person auswählen, die Schaden verursacht‹, gemäß § 1313-1315 ABGB zur Rechenschaft gezogen werden.
Fahrlässigkeit ließe sich in Österreich unschwer nachweisen. Mitunter ist der oder die Auserwählte dem Auswählenden nicht einmal bekannt, weil Interessen der Bundesländer wichtiger als Kompetenz sind. Ämter der Republik werden nach Machtansprüchen besetzt, nach vermeintlicher Medientauglichkeit der Person, nach plötzlicher – aus ganz anderen Gründen – auftauchender Popularität, in Summe oft nach sachfremden Kriterien. Und das bisweilen innerhalb weniger Stunden.
Beim Auswahlverschulden spielt auch die Haftungsfrage eine Rolle. Sollte jemand ›erkennbar ungeeignet‹ sein oder die Wahl mit ›erkennbaren Risken‹ verbunden sein, so wird im Fall des Versagens des oder der Auserwählten die Haftung des oder der Auswählenden schlagend.
Nicht so in der Politik. Selbst wenn jemand erkennbar ungeeignet war – wie etwa Michael Ausserwinkler als Gesundheitsminister der SPÖ Mitte der 90er-Jahre oder Elisabeth Sickl für die FPÖ im selben Ressort oder Michael Krüger, der Ein-Monat-Justizminister im Kabinett Schüssel I, oder aktuell Elisabeth Köstinger und Freundinnen, um aus einer langen Liste nur einige herauszugreifen – wird über Verantwortlichkeiten nicht diskutiert.
Statt Anforderungsprofile zu erarbeiten, Hearings zu organisieren, Hören-Sagen zu ignorieren, sich eingehend mit Lebensläufen zu beschäftigen, gilt als Auswahlkriterium: Wie schnell ist jemand bereit, ein Amt zu übernehmen? In Österreich wurde diese Praxis in der Politik kaum je hinterfragt und wird es auch jetzt nicht. Nicht einmal der dritte Gesundheitsminister in zwei Jahren löst eine Systemkritik aus. Das ist fahrlässig. •