Wie es ist … nicht mehr im Supermarkt einzukaufen
Ich habe vier Jahre kein Toilettenpapier gekauft. Jedenfalls nicht in der Drogerie. Ich habe aufgehört, in Supermärkten einzukaufen, weil ich wissen möchte, wie und wo meine Lebensmittel und Hygieneprodukte produziert werden. Ich benutze natürlich trotzdem Toilettenpapier. Nur, dass meine Frau und ich es direkt bei einem nachhaltigen Hersteller aus Wien beziehen. Damit wir nicht ständig hinfahren müssen, haben wir vor vier Jahren einen Vorrat bestellt. Der ist vor Kurzem leer geworden, der Vorsatz, auf Supermarkteinkäufe zu verzichten, hält sich aber nach wie vor.
Dieser Verzicht stellt das Einkaufsverhalten erst einmal auf den Kopf. Ob ich jetzt mehr Zeit zum Einkaufen aufwende, weiß ich nicht. Zwar muss ich den Einkauf gut planen, dafür vergesse ich aber nichts und kaufe nur einmal die Woche ein. Außerdem muss ich mich nie zwischen all den unterschiedlichen Marken entscheiden.
Einige Lebensmittel kaufe ich nicht mehr, vor allem exotische Früchte wie Bananen, weil ich vieles von lokalen Bauern beziehe. Eine Zeit lang war ich Mitglied einer Food Coop, also einer Organisation, über die Mitglieder Lebensmittel direkt von den Produzenten beziehen. Die Preise sind sogar etwas niedriger als im Supermarkt, jedenfalls im Vergleich zu den Qualitätsprodukten. Die Food Coop, bei der ich war, arbeitete mit einer italienischen Genossenschaft zusammen, über die wir Orangen und Mandarinen bekommen haben.
Auch auf Olivenöl verzichte ich. Rapsöl und Sonnenblumenöl kann ich von Herstellern im Waldviertel kaufen, Kürbiskernöl kaufe ich, wenn ich in der Steiermark bin. Bier und Wein bekommt man übrigens sehr gut, ohne in den Supermarkt zu gehen. Spontan ein Bier im Supermarkt nebenan zu kaufen, ist aber nicht mehr drin. Das ist, glaube ich, die größte Hürde: seine Spontanität aufzugeben.
Die Umstellung war bei uns ein langsamer Prozess. Schon vor zehn Jahren habe ich angefangen, die Lebensmittelindustrie zu hinterfragen. Einerseits wegen des Geschmacks. Andererseits wegen Medienberichten über die Bedingungen, unter denen Bäuerinnen und Bauern arbeiten.
Wirklich ausschlaggebend waren die mangelnden Alternativen zu den Eigenmarken der großen Ketten. Da merkte ich: Ich will etwas ändern. Ich habe verschiedene Sachen ausprobiert: Bauernmärkte, die Lebensmittel direkt beim Bauern zu bestellen, die Food Coop. Putzmittel und Seifen kaufe ich im Reformhaus oder in der Füllbar im achten Bezirk in Wien.
Mittlerweile bin ich Mitgründer eines Genossenschaftssupermarktes. Das meiste kaufe ich jetzt hier ein. Der klare Vorteil ist, dass ich vieles spontan mitnehmen kann. Nur Gebäck und Milchprodukte bestelle ich einmal die Woche vor.
Das breite Supermarktsortiment vermisse ich eigentlich nicht. Nur eine Sache finde ich nicht: Zahnseide. Weder die aus der Apotheke noch die aus dem Reformhaus kommen an die aus der Drogerie heran. Neulich war ich für den Genossenschaftsmarkt im Denns BioMarkt. Dort habe ich eine Zahnseide gefunden, die ich echt gut fand. Das war das einzige Mal in vier Jahren, dass ich bei einem Supermarkt eingekauft habe.
Meine Art des Einkaufens empfinde ich als sehr erfüllend. Ich weiß, wer meine Lebensmittel wie anbaut. Ich muss mir keine Gedanken darüber machen, ob die Grenzwerte für Giftstoffe beim Anbau eingehalten wurden, weil ich weiß, dass der Bauer gar keine Giftstoffe verwendet. •
Harald Kaiser (57) arbeitet hauptberuflich im Qualitätsmanagement. Außerdem ist er Mitgründer des Genossenschaftsmarkts Morgenrot in Wien-Hernals, der im Mai dieses Jahres eröffnet wurde.