›Wir sind eine Memmengeneration‹
Über das Establishment und die kleine Depression.
Herr Nowak, gehören Sie zum Establishment?
Ich lehne den Begriff ›Establishment‹ ab. Ich verwende auch ›Elite‹ nicht so gern, weil ich mich nicht wie ein elitärer Mensch fühle. Dafür ist meine Bildung zu durchschnittlich, und mein Intellekt hat noch zu viel Potenzial nach oben. Und Geld habe ich auch nicht viel. Also insofern …
Aber man darf Sie wohl dennoch hinzuzählen.
Wenn ich das als Presse-Chefredakteur verneine, mache ich mich lächerlich. Ich lebe genau so, wie meine Eltern gelebt haben. Mit dem Unterschied, dass ich mir keine Mietwohnung im ersten Bezirk leisten kann. Ich habe keinen sozialen Aufstieg hinter mir, deswegen bewundere ich Menschen, die ihn geschafft haben. Jedenfalls habe ich noch niemanden getroffen, der sagt: Ich bin Teil der Elite.
Die Elite sind die anderen. Das hat wohl auch damit zu tun, dass sie derzeit so schlecht beleumundet ist.
Die Politiker, die dieses Feindbild aufbauen, versuchen halt mit der Kritik am Establishment ins Establishment zu gelangen. Ein alter Schmäh. Derzeit nutzen ihn eben die Rechtspopulisten erfolgreich. Da geht es auch darum, eine Art Revolutionsstimmung aufzubauen. Man will, dass sich das System ändert, und nennt es halt Establishment. Dass in unserem Fall niemand genau weiß, wie er es anders haben will, ist das Spannende. Es herrscht derzeit die Grundstimmung: besser nicht wissen, was passiert, als dass weiterhin passiert, was man eh schon kennt. Und das ist gefährlich.
Kennen Sie Leute, die wegen der Kritik an Eliten ihr Verhalten ändern?
Ja, die gibt es schon. Ich verstecke mich gerne vor den ›Seitenblicken‹. Oder versuche, nicht zu viele Fremdwörter zu verwenden. Zu Beginn der Finanzkrise war das noch stärker. Ich erinnere mich an Leute, die vorher gerne Mittagessen gegangen sind ins Fabios und dann halt zum Plachutta. Da gibt es auch heute gewisse Ängste, als abgehoben zu gelten.
Wie ist dieser Kritik zu begegnen?
Indem man den Menschen bei den Themen Bildung, Vermögensbildung und Beruf eine Perspektive bietet. Aber jetzt klinge ich schon wie ein Neos-Politiker, um Gottes Willen!
Unser Gespräch wird nach der Präsidentenwahl erscheinen. Trauen Sie sich, sich festzulegen?
Auf den Sieger? Sehr lustig. Nein, das möchte ich nicht. Der Kopf sagt Van der Bellen, der Bauch sagt Hofer. Sehe ich mir die letzten Wahlen an, kann ich mit Bestimmtheit nur sagen: Politikjournalisten haben keine Ahnung, wie Wahlen ausgehen. Aber ein Wahlsieg Van der Bellens wäre die größere Überraschung.
Im Fall Hofer: Werden wir unser Krönchen richten und weitertun wie bisher?
Das mit dem Krönchenrichten ist mein Spruch! Wir werden es versuchen, aber es wird nicht so leicht sein. Ich hoffe, später wird man über diese Jahre sagen: Das war die kleine Depression.
Die kleine?
Hoffentlich. Ich versuche es gelassen zu sehen. Unsere Elterngeneration hat viel härtere Zeiten durchgemacht. Okay, immer mit der Perspektive: Es geht bergauf. Trotzdem: Damals war Kalter Krieg, Atomwaffenangst, saurer Regen. Wir sind einfach eine Memmengeneration.
Aber nicht nur Ihre Generation.
Aber wir sind die, die sagen müssten: Okay, wir übernehmen jetzt! Gebts her! Und unseren Kindern müssten wir sagen: Keine Sorge, wir machen das schon!
Das sagen Sie Ihren Kindern?
Schon. Ich sage ihnen aber leider auch: Die Zeit wird nicht besser. Das ist eigentlich ein Wahnsinn.
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