›Wir Wissenschaftler sind teilweise selber schuld‹

Wie schwierig ist die Beziehung zwischen Klimaforscherin und Politik?

Wenn man Klimaforscher in dem klassischen Sinn ist, dass man Erkenntnisse sammelt, in wissenschaftlichen Zeitschriften publiziert und seine Aufgabe damit als beendet ansieht, ist die Beziehung problemlos. Wenn man für das brennt, was man erforscht und eine Verantwortung darin sieht, dass es wahrgenommen, verstanden und umgesetzt wird, wird es schwierig. Es ist eine Grundspannung da, weil die Herausforderung so groß ist, dass die Politik nie genug tun kann. Aber der Steuerzahler hat mich bezahlt, und daher schulde ich ihm, das Notwendige zu fordern. Das ist meine Auffassung von wissenschaftlicher Verantwortung. Sie trägt mir innerhalb der Kollegenschaft auch Kritik ein. 

Wie kann man als Wissenschaftler Dinge sehen und nichts tun wollen?

Wir sind als Menschen sehr geschickt darin, Sachen zu trennen. Es gibt viele ­Klimawissenschaftler, die erschreckende Erkenntnisse gewinnen, sie aber nicht mit ihrer Realität in Verbindung bringen. Sie haben keine Auswirkungen auf das eigene Leben und die eigenen Handlungen. 

Das Forschen im Elfenbeinturm?

Eigentlich müsste der gesamte Forschungs­betrieb zur Kenntnis nehmen, was im Klimabereich passiert – und seine Forschung entsprechend umstellen.

Wie schwierig ist die Beziehung zwischen Forscher und Normalbevölkerung? 

Wir Wissenschaftler sind teilweise selber schuld an der Missachtung des Klimawandels, weil wir von Beginn an die Katastrophe vorausgesagt haben. Berechtigterweise, aber es ist viel zu lange immer nur über fürchterliche Szenarien gesprochen worden. Man muss auch die Chancen zeigen. Klimaschutzmaßnahmen haben in vielen Fällen positive Nebenwirkungen. Wenn ich etwa den Straßenverkehr zurückfahre und die Leute mehr zu Fuß gehen und radfahren, sind sie gesünder. Sie haben saubere, ruhigere Städte, es gibt weniger Unfälle, mehr Grünflächen und weniger Treibhausgasemissionen. Es geht Hand in Hand.

Es wäre auch Aufgabe der Politik, Weichen zu stellen.

Genau. Leider gibt es offenbar starke Gegenkräfte, die das verhindern. Beim Verkehr spielt auf jeden Fall die Automobil­industrie eine Rolle. Vielleicht muss man auf der Gemeinde-, der Bezirksebene anfangen, die Demokratie zurückzuerobern. Wir brauchen eine gemeinsame Vision: Wo wollen wir hin? Natürlich bringt das Um­stellungen mit sich, aber das muss nicht schlecht sein. Es hat viel mit Angst zu tun. Menschen haben Angst vor Veränderung, und selbst jene, denen es schlecht geht, denken sich, besser ich habe das, was ich jetzt habe, als das auch noch zu riskieren.

Es heißt ja, Menschen bleiben lieber in Beziehungen, auch wenn sie schlecht sind, als etwas Unsicheres zu wagen, selbst wenn das dann besser für sie wäre. 

Deswegen wäre die Vision so wichtig, um zu sehen, worauf lasse ich mich ein. Wenn ich einen neuen Kandidaten habe, lasse ich die alte, schlecht funktionierende Beziehung leichter los. 

 Haben Sie Hoffnung auf Veränderung?

Natürlich. Ich verwende aber keine Zeit darauf, ihre Berechtigung abzuschätzen. Ich suche Chancen zu handeln und ergreife sie.