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Wunschdenken

Wenn Politik und Medien nach regionalen Strohhalmen haschen.

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Illustration:
Blagovesta Bakardjieva
DATUM Ausgabe Februar 2025

Irgendetwas stimmt nicht. Das merkt man spätestens dann, wenn einem mit Blick auf verschiedene Wahlentscheidungen in Österreich William Shakespeares ›Hamlet‹ und der Satz ›Es ist was faul im Staate Dänemark‹ einfällt. Es muss etwas faul sein, wenn eine Gemeinderatswahl zur ›Schicksalswahl‹ für die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) erklärt wird; wenn sich nach einem Sieg eines SPÖ-Kandidaten in einer Landeshauptstadt die Bundespartei schon wieder auf Erfolgskurs glaubt; wenn der Siegeslauf der FPÖ bereits relativiert wird, weil die erwarteten Sensationen im kleinen Burgenland und im großen Niederösterreich nicht im prognostizierten Ausmaß eingetroffen sind. 

Mit diesen drei Beispielen dürfte der Hang in Österreichs Politik und Medien zum Wunschdenken ausreichend identifiziert sein. Wahlergebnisse werden in die eine oder andere Richtung überinterpretiert, bevor sich Konsequenzen auch nur vage abzeichnen. 

Ganz abgesehen davon, dass die Entscheidungen der 1,3 Millionen Niederösterreicher in 568 Gemeinden nichts mit Schicksal zu tun haben. Wenn, dann haben die Verluste der ÖVP – geringer als erwartet – mit der Unfähigkeit der Landesparteiobfrau der ÖVP zu tun, eine Regierung ohne Verlust von Haltung und Anstand zu verhandeln. So schnell war bis dahin noch kein Spitzenpolitiker ›umgefallen‹ wie Mikl-Leitner 2023 in Richtung FPÖ. Mehr noch aber fällt der Verlust an Autorität, auch innerparteilicher, auf. Hätte man ihr vor zwei, drei Jahren noch zugetraut, den rasanten Weg der Bundespartei in die Bedeutungslosigkeit zu stoppen, so ist Mikl-Leitner heute jemand, der vorsorglich die Verantwortung für Verluste in den Gemeinden auf den ›unglaublichen Gegenwind‹ vom Bund her schiebt.

In der SPÖ scheint man sich unterdessen geradezu verzweifelt an jeden möglichen Erfolg zu klammern, um sich selbst eine bessere Zukunft versprechen zu können. Dass im Burgenland 197.142 Wähler der Partei und dem populistisch-populären Landeshauptmann Hans Peter Doskozil nur den Verlust der absoluten Mehrheit beschert und den Sturz von Platz eins erspart haben, wurde – offenbar in Gedanken an die allgemeine Lage der Partei – wie ein glorioser Sieg auch der Bundespartei gefeiert. Den hat man sich auch sofort auf die Fahnen geheftet, als Dietmar Prammer im ersten Wahlgang zum neuen Bürgermeister von Linz mit über 40 Prozent vor dem FPÖ-Kandidaten Michael Raml lag. Seit der Stichwahl am 26. Jänner ist die SPÖ-Welt nicht nur in Ordnung, sondern um einen Hoffnungsträger reicher – ohne dass dieser bisher intern aufgefallen wäre.

Wunschdenken ist offenbar der Begriff, der Österreichs Politik am besten beschreibt. Das trifft vor allem auch darauf zu, wie auf die FPÖ geblickt wird. Schon das Versäumnis Norbert Hofers, im Burgenland Hans Peter Doskozil zu entthronen, wurde extern als erstes Anzeichen gesehen, dass die blauen Bäume doch nicht in den Himmel wachsen. Ganz zu schweigen davon, dass der verhaltensauffällige Zweite Landtagspräsident Gottfried Waldhäusl (FPÖ) gerade den Sprung auf den Bürgermeistersessel von Waidhofen an der Thaya verpasst hat. 

Entscheidungen werden bundespolitisch aufgeblasen, wo es nur geht. Auch wenn sie in einer Bezirkshauptstadt mit nur 5.206 Einwohnern fallen. •

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