Das Rangeln als Ritual

Anna Aicher untersucht in ihrer künstlerischen Arbeit traditionelles Brauchtum.

·
Fotografie:
Anna Aicher
DATUM Ausgabe November 2023

Das gelebte Brauchtum und seine gerade im Alpenraum identitätsstiftende Rolle stehen im Zentrum der künstlerischen Arbeit von Anna Aicher. Sie selbst wurde in Bayern geboren, nahe der österreichischen Grenze, ist im ländlichen Umfeld aufgewachsen und daher schon seit frühester Kindheit mit ­Traditionen und Ritualen wie etwa den Umzügen der traditionellen Vereine konfrontiert. 

Während ihres Studiums in Berlin gewann sie Distanz zur Welt ihrer Kindheit, der sie sich auch weiterhin stark verbunden fühlte. Dennoch half ihr die Zeit in Berlin dabei, einen differenzierteren Blick auf die Bräuche, die von Generation zu Generation das Gefühl von Zugehörigkeit und Konformität ­erzeugen, zu entwickeln. 

So kehrt Aicher nach ihrem Studium immer wieder in die Alpen zurück, unter anderem auch für ihr auf den folgenden Seiten in Auszügen gezeigtes Langzeitprojekt ›Like Father, Like Son‹. Für diese Serie besuchte sie lokale Sport- und Traditionsveranstaltungen. Unter anderem die seit 2010 zum UNESCO-Kulturerbe zählenden ›Ranggel‹-Wettbewerbe am ›Hundstoa‹ im Salzburger Pinzgau. Bei dieser jahrhundertealten Kampfsportart geht es vordergründig um das Kräftemessen junger Männer. Die Künstlerin erkennt darin jedoch metaphorisch auch ein ­Ritual des Heranwachsens, des Ringens um einen ­eigenen Platz in der Gesellschaft. 

Anna Aicher beschränkt sich in ihrer Arbeit aber nicht nur auf die Beobachtung. Durch ihren empathischen Blick, den ­unmittelbaren Bildausschnitt und ein gekonntes Zusammenspiel aus Inszenierung und Dokumentation erzeugen Aichers ­mittlerweile preisgekrönte Fotografien eine spürbare Authentizität und eine Vertrautheit zwischen den Protagonisten, ­Protagonistinnen und der Künstlerin. Fast scheint es, als wäre die Fotografin gar nicht in der Szenerie anwesend, das betrachtende Publikum taucht dafür umso mehr in die Welt des ­Ranggelns ein.

Weitere Arbeiten dieser Serie sind noch bis 12. November in der Galerie Westlicht unter dem Titel ›Ranggeln‹ zu sehen. Anna Aichers Arbeiten wurden national wie international aus­gestellt und mit Preisen ausgezeichnet. Aktuell ist Aichers neues Buch ›Like Father, Like Son‹ in der Kategorie ›Self-Publishing‹ für den Deutschen Fotobuchpreis 2024 nominiert. 

Anna Aicher

Geb. 1993 in Traunstein, Deutschland

Aktuell Meisterklasse an der Ostkreuzschule in Berlin 

Lebt und arbeitet in München und Salzburg

www.anna-aicher.com

Ausstellungstipp

Ranggeln

Westlicht – Schauplatz für Fotografie 

Westbahnstrasse 40, 1070 Wien 

Bis 12. November 2023

www.westlicht.com/westlicht/
de/programm/ausstellungen/
annaaicher

Buchtipp

Like Father, Like Son, 2022

annaaicher.bigcartel.com

Sie können die gesamte Ausgabe, in der dieser Artikel erschien, als ePaper kaufen:

Diese Ausgabe als ePaper für € 6,00 kaufen