Deutsch in Wien, wie geht das?

Von Beethoven, Buttenweibern und der Vermeidung des P-Wortes.

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Illustration :
Stefanie Sargnagel
DATUM Ausgabe September 2021

In Berlin lebende Türken bezeichnen sich stolz als Berliner Türken. Eine Bezeichnung, die für in Berlin lebende Türken eine sehr sinnvolle ist. Wiener Deutsche gibt es nicht, obwohl es sie gibt. Beethoven zog in Wien mindestens 68 Mal um, seinen rheinischen Singsang nahm er mit. Beethoven war ein Deutscher Wiener. Wer so oft in einer einzigen Stadt seinen Wohnort wechselt, hat offensichtlich diese Stadt zum Lebensmittelpunkt auserkoren.

Interessant, dass Beethoven Wien damals besser riechenden Städten vor­gezogen hat. Wien stank nach Tod, Verwesung und Kot, galt als die mit großem Abstand verstunkenste Stadt Eu­ropas. In zahlreichen Reise­be­schrei­bungen rümpften Besucher ihre Nasen, hielten sie zu, hofften auf Schnupfen oder atmeten durch den Mund. Innerhalb der Stadtmauern gab es Friedhöfe, wo Leichen zu früh exhumiert und nicht tief genug begraben wurden. Im Stephansdom fielen deshalb oft Menschen während des Gottesdienstes um. Die Gase wurden vom Weihrauch nicht überdeckt. Dass der Bonner Beethoven trotz der Gerüche, die aus dem Arsche Satans zu kommen schienen, solche Musik komponieren konnte, verwundert. Dazu der ständige Umzugsstress, man kennt das ja, aber 68 Mal? In die Kisten, aus den Kisten, wo sind die kostbaren Notenblätter? Vielleicht hätte die unvollendete Sinfonie eine Vollendung gefunden, wenn die entscheidenden Aufzeichnungen nicht bei einem der letzten Umzüge verloren gegangen wären.

Beethoven kam aus dem katholischen Rheinland ins katholische Wien. Er komponierte Messen, war aber kein Kirchgänger. Leben und leben lassen, die rheinische Maxime.

Zweihundert Jahre zuvor waren 70 Prozent der Wiener noch Protestanten gewesen. Im Stephansdom gab es lutherische Predigten, aber der Kaiser ließ sich das nicht gefallen, und die Evangelen wurden geköpft, ertränkt, eingesperrt und ausgewiesen.

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