Schwer erziehbare Jugendliche wurden bis in die 1970er-Jahre im Erziehungsheim Wien-Kaiserebersdorf untergebracht. Wer dort Probleme machte, kam in die Außenstelle Kirchberg am Wagram. Deren Geschichte von Isolation, Gewalt und Zwangsarbeit ist bis heute nicht aufgearbeitet.
Da kommt mir alles wieder hoch‹, sagt Rudolf Mydza und schaut sich in dem kalten, düsteren Raum um: ›Das war die Korrektionszelle.‹ Wer sich nicht anständig verhalten habe, sei hierher in den Keller gekommen, für eine Woche. Oder für zwei: ›Da hat’s aber kein Bett gegeben, nur Matratzen und eine Decke. Und die Bibel zum Lesen.‹ Mydza schaut sich noch einmal um, holt mit der Hand die Spinnweben von der Decke. Wie geht es ihm, wenn die Erinnerungen wieder hochkommen? ›Arg! Ein ungutes Gefühl.‹
Mydza steht im ehemaligen Erziehungsheim des Bundes im niederösterreichischen Kirchberg am Wagram. In der Korrektionszelle war er 1970 mit 16 Jahren eingesperrt. Mydza ist jetzt 69 Jahre alt. Aber noch immer, sagt der muskulöse Mann mit Tätowierungen auf beiden Armen, verfolge ihn Kirchberg in seinen Träumen. Dann spürt er wieder die Kälte und den Schmerz, hört die Schreie aus den Nachbarzellen, sieht die Wächter mit ihren Schlagstöcken, sieht sich selbst im Laufschritt den ›Scheißkübel‹ in den Keller tragen. Kirchberg, sagt Rudolf Mydza, ›das war die Hölle auf Erden‹.
Heute steht das Gebäude unter Denkmalschutz. Es war Mitte des 19. Jahrhunderts als Gefängnis errichtet worden, damals hatte die kleine Gemeinde zwischen Tulln und Krems noch ein eigenes Bezirksgericht. Bis heute wurde am Originalzustand der Zellen mit ihren massiven Holztüren fast nichts verändert. Als Rudolf Mydza hierhergebracht wurde, war Kirchberg aber schon lange kein Gefängnis mehr. Sondern die Außenstelle der ›Bundesanstalt für Erziehungsbedürftige‹ in Wien-Kaiserebersdorf. Es war das einzige Erziehungsheim in Österreich, das nicht von der Kirche oder einer Landesregierung, sondern direkt vom Justizministerium geführt wurde.
In das Erziehungsheim Kaiserebersdorf kamen Jugendliche, die aus anderen Heimen geflohen oder von dort als schwer erziehbar entlassen worden waren. Die meisten hatten schon mit dem Jugendgericht zu tun gehabt, wegen Diebstahls von Handtaschen oder Raub von Zigaretten. Der Vater von Rudolf Mydza war Traktorfahrer, der Sohn beschreibt ihn als ›Trinker und Schläger‹. Der junge Rudi riss immer wieder aus, erst von zu Hause, dann aus Erziehungsheimen in Niederösterreich. Die Polizei griff ihn auf, nachdem er in Wien mit einem Freund ein Moped gestohlen hatte. Der Richter fällte das Urteil: ›Kaiserebersdorf‹.
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