Die Rückkehr der Palmen
Die Gewinnung von Palmöl treibt die Abholzung des indonesischen Regenwaldes voran. Ein Abkommen gegen die Ausbreitung der Plantagen ist gerade ausgelaufen.
Wie Zahnstocher liegen die Überbleibsel ehemals dicht wachsender Bäume über den Boden verstreut. Wo sich früher Regenwald erstreckte, soll sich bald eine Palme an die nächste reihen. Buschige Palmwedel, wuchtige Blütenstände, an denen viele hundert orangerote Früchte heranreifen. Fallen die ersten zu Boden, ist es Zeit für die Ernte. Die Früchte werden ausgepresst, ihr Öl in alle Welt verkauft. Ein Geschäft, für das der Regenwald Indonesiens immer weiter zurückgedrängt wird – und stattdessen Palmen im Schachbrettmuster viele Millionen Hektar Land überziehen.
Eigentlich ist das ein Bild, das in den vergangenen Jahren in Indonesien seltener wurde: Die vorher so rasante Entwaldung wurde gebremst. Die indonesische Regierung hatte eine Erklärung verabschiedet, die sämtliche Genehmigungen neuer Plantagen verbot. Doch jetzt ist sie ausgelaufen. Während Regierungen auf der Klimakonferenz in Glasgow versprachen, die weltweite Entwaldung zu stoppen, lässt die indonesische Regierung das sogenannte Palmöl-Moratorium zu Ende gehen. Was heißt das für den übrigen Regenwald auf Borneo, Sumatra oder Papua? Umweltaktivisten schlagen Alarm: Sie befürchten einen erneuten Anstieg der Abholzung im Inselstaat.
Anreize dazu liefern Exportpreise: Palmöl ist heute so teuer wie noch nie, denn das normalerweise günstige Pflanzenöl ist knapp. Die starke Nachfrage in China und Indien trifft auf Pandemie-bedingte Produktionsschwierigkeiten in Indonesien und Malaysien, die zusammen fast 90 Prozent der weltweiten Palmöl-Exporte stellen. Um den nationalen Eigenverbrauch decken zu können, verhängte die indonesische Regierung Anfang Februar eine strenge Ausfuhrkontrolle, daraufhin kletterten die Preise noch weiter nach oben. Ein Grund, mehr anzubauen, neue Plantagen anzulegen, um das immer wertvollere Öl liefern zu können?
Flächen für die neue Nutzung hat die Regierung bereits ausgewiesen. 47,3 Millionen Hektar sind es insgesamt, auf knapp der Hälfte davon steht heute Wald, berechnet die NGO Forest Watch Indonesia (FWI). ›Mehr als 21 Millionen Hektar Wald werden verschwinden, wenn diese Genehmigungen vergeben werden‹, kritisiert der FWI-Forscher Mufti Fathul Bari. Das ist eine Fläche, die 2,5 Mal so groß ist wie Österreich. Nach Brasilien und der Demokratischen Republik Kongo ist Indonesien das Land mit dem weltweit größten Regenwald. Geschätzte zehn bis 15 Prozent der weltweiten Tier- und Pflanzenarten sind hier zu finden.
Es ist außerdem das Zuhause indigener Bevölkerungen: Rund ein Zehntel der Waldflächen werde bewohnt, so Mufti weiter. Sie laufen Gefahr, ihre Heimat an neue Ölpalmenplantagen zu verlieren. ›Es wird also immer wieder zu sozialen Konflikten kommen, weil die früheren Konflikte nicht gelöst wurden‹, sagt Mufti. In den indonesischen Klimazielen ist ein besserer Schutz der Wälder vorgesehen: So soll die Entwaldung bis 2030 auf 3,25 Millionen Hektar minimiert werden, denn die Abholzung des Regenwaldes verursacht den größten Teil der indonesischen Treibhausgase. Eines der Instrumente dazu war das Palmöl-Moratorium. Und es zeigte Erfolg, sagt das indonesische Umweltministerium: Die Abholzung sei von 2019 auf 2020 um 75 Prozent gesunken. Zwar vermuten Forscherinnen und Forscher sowie NGOs wie Greenpeace, dass auch der ungewöhnlich viele Regen in dieser Zeit zum Erhalt der Wälder beigetragen habe, weil er die Zahl der Waldbrände reduziert hat, doch auch die verlangsamte Ausbreitung von Palmenplantagen sei ein wichtiger Faktor. Warum wurde das Moratorium nicht verlängert?
Den Grund dafür im Druck der Industrie oder der steigenden Nachfrage zu suchen, erfasst nicht die ganze Geschichte: Auch die internationale Klimadiplomatie spielt wahrscheinlich mit. So kam die Entscheidung zwei Wochen, nachdem Indonesien ein Abkommen mit Norwegen aufgekündigt hatte – das skandinavische Land hatte zugesagt, Indonesien mit einer Milliarde US-Dollar bei der Reduktion seiner Emissionen aus der Entwaldung zu unterstützen, allerdings mit einigen Konditionen. Eine erste Überweisung wurde 2019 angekündigt: Die norwegische Regierung erklärte sich bereit, 56 Millionen Dollar für die Eindämmung der Abholzung des Jahres 2017 zu zahlen, mit der Indonesien den Ausstoß von 11,23 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten eingespart hatte.
Umweltverbände lobten den Schritt: Die Finanzierung würde sowohl die indonesischen Anstrengungen der vergangenen Jahre anerkennen als auch neue Maßnahmen gegen die Entwaldung. Doch das Geld kam nicht. Norwegen erwartete Belege dafür, wie Indonesien das Geld ausgeben wolle, die Gespräche liefen, doch Indonesien kündigte das Abkommen abrupt. Die norwegische Regierung sagt, die Verhandlungen seien gut vorangekommen, die indonesische Regierung spricht von mangelndem Fortschritt der Zahlungen.
Ist also der Streit mit Norwegen schuld am Ende des Palmöl-Moratoriums? Das Timing deute jedenfalls darauf hin, dass die beiden Ereignisse miteinander zu tun haben, sagt Mufti von FWI. ›Es ist bisher nur eine Vermutung, aber wenn wir uns die bisherigen Trends ansehen, ist es sehr wahrscheinlich, dass all das zusammenhängt‹, sagt Mufti.
Erst platzt das Abkommen mit Norwegen, dann wird das Palmöl-Moratorium nicht verlängert: ›Wir wissen nicht, was als nächstes kommt‹, sagt er.
Für Hariadi Kartodihardjo, Vortragender für Forstwirtschaft am Bogor-Institut, rund 60 Kilometer südlich der Hauptstadt Jakarta, liegt es nun an der indonesischen Regierung zu beweisen, dass sie sich dafür einsetzt, die Abholzung und den Klimawandel einzudämmen. ›Nachdem wir uns von Norwegen getrennt haben, müssen wir uns selbst verpflichten‹, sagt er. Auch Bayu Eka Yulian, Direktor für Politik am Bogor-Institut für Landwirtschaft, befürchtet nun: ›Unsere Wälder werden wieder verschwinden.‹ Sie sind sich einig: Das Ende des Moratoriums gefährdet den Wald.
Maruli Gultom, Palmöl-Unternehmer und Berater des Verbands der Palmölunternehmen (GAPKI), begrüßt hingegen das Ende des Moratoriums. Es sei ein ›historischer Fehler‹ gewesen – das Resultat von Druck aus dem Ausland. Für den GAPKI-Direktor Eddy Martono bedeutet das Ende des Moratoriums nicht automatisch ein Rennen um neue Plantagen: Vielmehr würden die Unternehmen darauf fokussieren, die Produktivität bereits existierender Plantagen zu steigern, statt sich weiter auszubreiten. Auch verweist der Verband darauf, dass Ölpalmen sehr wohl auch auf nachhaltige Weise angebaut werden können und pro Hektar vier bis zehn Mal mehr Pflanzenöl produzieren als andere Anbaukulturen.
Daher, so GAPKI, werde die Nachfrage in den kommenden Jahrzehnten weiter steigen: Neben der Verarbeitung für Kosmetik, Waschmittel oder Schokolade findet das Öl der Palmen immer öfter den Weg in den Tank. Mit dem Ausstieg aus fossilen Brennstoffen gewinnt der Bio-Kraftstoff an Bedeutung. Indonesien ist nach Brasilien und den USA der größte Hersteller – und die EU ein wichtiger Importmarkt, wenn auch die Verwendung in Europa bis 2030 auslaufen soll. Weltweit steigt der Verbrauch jedoch wohl weiter: Schon in drei Jahren könnte rund ein Viertel der Palmöl-Produktion für Kraftstoffe verwendet werden.
Braucht es also nicht gerade in der Energie- und Verkehrswende einen strengen Schutz der indonesischen Wälder? Zwar hat die Regierung schon neue Flächen ausgewiesen, aber das indonesische Ministerium für Umwelt und Forstwirtschaft verspricht dennoch, trotz des Endes des Moratoriums, keine neuen Genehmigungen für Palmöl-Plantagen auf heutigem Waldgebiet auszustellen. Anders als das Moratorium ist diese Ansage nicht gesetzlich verankert. Weder die jetzige noch eine zukünftige Regierung sind dazu verpflichtet, neue Genehmigungen im Namen des Waldschutzes abzulehnen.
Seit das Moratorium im September 2021 ausgelaufen ist, haben einige wenige Regionen Teile davon in ihre Gesetze aufgenommen. Und auch die Staatsregierung bekräftigt, sie werde sich weiterhin gegen die Entwaldung einsetzen und die Treibhausgasemissionen des Landes reduzieren. ›Wir warten nun auf entsprechende politische Entscheidungen‹, sagt Hariadi vom Bogor-Institut. Die Regierung müsse nun zeigen, dass sie hält, was sie verspricht. •
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